Wagner Gruppe - Black Elephant
„Black Elephants“ stehen für hochkomplexe, schwerwiegende Herausforderungen oder Probleme, die allzu oft übersehen oder ignoriert werden. Ähnlich einem unausgesprochenen, offensichtlichen Problem – dem „Elefanten im Raum“ – treten sie erst dann in das Bewusstsein, wenn ihre Ausmaße und Dringlichkeit sie unübersehbar machen. Sie sind geprägt von Aspekten der „Black Swan“-Ereignisse, welche unvorhersehbare, schwer einschätzbare Situationen mit möglicherweise tiefgreifenden Folgen darstellen.
Indem sie diese beiden Konzepte verbinden, symbolisieren „Black Elephants“ die Tendenz, schwer lösbare oder unangenehme Probleme zu ignorieren, bis sie eskalieren und nicht länger verleugnet werden können. Sie erinnern uns daran, dass es oft riskant ist, das Offensichtliche zu ignorieren und das Unvorhersehbare nicht in Betracht zu ziehen.
Die PMC - Wagner-Group, (PMC = Private Military Company) eine private militärische und sicherheitsdienstliche Firma mit Verbindungen zum russischen Staat, verkörpert das Konzept eines Black Elephants. Ihre Rolle in Konflikten weltweit, sowie ihre Verwicklung in illegale Aktivitäten wie den internationalen Rohstoff-, Waffen-, Menschen-, Drogenhandel und Geldwäsche-Operationen, ist lange Zeit übersehen worden. Ein solcher hybrider Ansatz, der sowohl legale als auch illegale Taktiken umfasst, ist bezeichnend für die steigende Komplexität und Vernetzung moderner Bedrohungen. Das bezieht sich nicht nur auf die PMC - Wagner-Group, sondern auf das Phänomen (unmoralische und unethische Geschäftsmodelle), auf das mit diesem Artikel hingewiesen werden soll.
Hierzu sind die Aussagen vergangener Theoretiker wie H. J. Morgenthau und Thukydides interessant. Diese legen den Fokus auf die Machtinteressen der Staaten und ihr Streben nach Dominanz, auch als „animus dominandi“ bekannt (Morgenthau, 1978; Thukydides, 431 v. Chr.). Die PMC - Wagner-Group scheint eine Inkarnation dieser Prinzipien des Realismus und der modernen Strategielehre zu sein. Sie zeigt eine bemerkenswerte Fähigkeit, flexibel auf kurzfristige Konfliktsituationen zu reagieren, ohne dabei ihre langfristigen Interessen aus den Augen zu verlieren.
Jedoch birgt ihr Geschäftsmodell erhebliche Risiken, weil aus bestimmten Interessen heraus u/o den Meistbietenden Zugang zu Ressourcen gewährt und sogar gezielte Beseitigungen von Personen, die als Störfaktoren angesehen werden, durchführt, unterstreicht die PMC - Wagner-Group die Risiken und moralischen Fragen, die mit einer derartig unregulierten Ausübung von Macht und Einfluss verbunden sind.
Deutschland hat in Bezug auf die Aktivitäten der PMC - Wagner-Group und ähnlicher „Black Elephants“ – also großer, komplexe Probleme oder Herausforderungen, die oft übersehen oder ignoriert werden, bis sie zu groß und dringend werden, um sie noch zu ignorieren – in der Vergangenheit oft eine zurückhaltende Haltung eingenommen. Einige Beobachter bezeichnen diese Haltung als „Deutscher Schlafwandler“, was auf eine Tendenz Deutschlands hinweist, eher abwartend zu agieren, statt proaktiv auf solche Situationen zu reagieren.
Die Syrien-Krise ist ein exemplarisches Beispiel für diese Art von Verhalten. Während die PMC - Wagner-Group offensiv in den Konflikt für die Interessen Russlands eingriff und ihre Tätigkeiten in vielen Gebieten für ein expansives Söldner-Geschäftsmodell nutzt, hat Deutschland eher auf diplomatische Lösungen gesetzt. Obwohl solche diplomatischen Bemühungen natürlich wichtig und lobenswert sind, ist es auch notwendig, auf die Tätigkeiten von Akteuren wie der PMC - Wagner-Group zu reagieren und sie im Blick zu behalten.
Dies bedeutet nicht, dass Deutschland direkt militärisch eingreifen sollte, aber es unterstreicht die Notwendigkeit einer wachsamen Haltung gegenüber solchen Akteuren. Es erfordert eine proaktive Auseinandersetzung mit den Aktivitäten der PMC - Wagner-Group und ähnlicher Gruppen, anstatt sie zu ignorieren oder sie lediglich als Nebenaspekt der Krise zu betrachten. Insbesondere, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass solche Gruppen Verbindungen zu Unternehmen haben könnten, die auch über Deutschland weltweit aktiv waren, wie möglicherweise Wirecard.
In der Tat sind die globalen Aktivitäten und Konsequenzen der PMC - Wagner-Group, sowie ihre Auswirkungen auf die internationale Sicherheit, ein komplexes und dringendes „Black Elephant“-Problem. Mit ihren vielfältigen Geschäftsmodellen, darunter der Zugang zu strategischen Ressourcen und die Ausführung gezielter Tötungen (BBC, 2020), fördert die PMC - Wagner-Group Instabilität und unterstützt häufig autoritäre Regime (Reese, 2020).
Die PMC – Wagner-Group operiert in verschiedenen Ländern wie Syrien, Libyen und der Zentralafrikanischen Republik - bislang wurden weltweit über 30 Operationsgebiete bekannt. Berichte deuten darauf hin, dass die PMC - Wagner-Group weltweit oft in Gebieten mit wertvollen natürlichen Ressourcen operiert, um den Zugang zu diesen Ressourcen als Teil der Vergütung für ihre Dienste zu sichern.
PMC-Wagner-Group ist eine Art Proximiliz, also eine nicht-staatliche u/o paramilitärische Gruppe, die von einem bestimmten Staat zur Durchführung von Operationen in ihrem Auftrag eingesetzt werden. Diese Proximilizen sind ein immer häufiger auftretendes Phänomen in internationalen Konflikten. Die PMC - Wagner-Group ist ein bekanntes Beispiel für solche Proximilizen.
Proximilizen wie PMC - Wagner-Group und ihr komplexes Netzwerk an Beziehungen könnten potenziell über Firmen wie Evro Polis und Stroitransgaz, die mit PMC - Wagner-Group assoziiert werden, mit dem Finanzdienstleister Wirecard verbunden gewesen und mit Folgeorganisationen nach wie vor derartig aktiv sein. Finanzvermittler oder -Dienstleister fungieren für Firmen wie Evro Polis und Stroitransgaz möglicherweise als Brückenkopf, um Geldströme von den Einnahmen aus gesicherten oder möglicherweise gewaltsam erworbenen Rohstoffförderanlagen an die Wagner-Group-Söldner zu leiten. Dabei soll ein beträchtlicher Anteil dieser Einnahmen – mindestens 25 Prozent nach diversen Berichten – als Bezahlung für die Söldner dienen.
Die gründliche Untersuchung dieser finanziellen Abläufe und deren mögliche Verbindung zu Firmen wie Wirecard ist von großer Bedeutung, um ein umfassendes Verständnis der Struktur, Reichweite und Aktivitäten der PMC - Wagner-Group zu gewinnen. Zudem würde eine solche Untersuchung aufzeigen, inwiefern auch deutsche Unternehmen möglicherweise, ob wissentlich oder unwissentlich, in diese Machenschaften verstrickt waren u/o sind.
Innerhalb der Führungsstruktur der PMC - Wagner-Group nehmen Dimitri Wladimirowitsch Utkin und Yevgeny Prigozhin zentrale Rollen ein. Während Utkin häufig als strategischer Kopf der Gruppe bezeichnet wird, gilt Prigozhin als derjenige, der die logistischen Abläufe steuert. Beide spielen eine entscheidende Rolle bei der Planung und Umsetzung der Operationen der Gruppe. Ihre spezifischen Funktionen und Verbindungen, einschließlich möglicher Verknüpfungen mit Wirecard, bedürfen weiterer Untersuchungen, um das volle Ausmaß ihrer Aktivitäten und Einflüsse aufzudecken.
Dies deutet auf ein Geschäftsmodell hin, bei dem die PMC - Wagner-Group militärische Unterstützung und Sicherheit in instabilen Gebieten bereitstellt, im Austausch dafür einen Anteil an den natürlichen Ressourcen dieser Gebiete erhält. Es ist tatsächlich eine weit verbreitete These, dass die Wagner-Group, über die beteiligten Unternehmen wie Evro Polis und Stroitransgaz, nicht nur an der Absicherung von Öl- und Gasfeldern und dem Schutz strategischer Infrastrukturen beteiligt ist, sondern auch in den globalen Drogenhandel verwickelt sein könnte. Diese These basiert auf der Tatsache, dass die Wagner-Group in mehreren Ländern aktiv ist, die als wichtige Umschlagplätze für den weltweiten Drogenhandel gelten.
Afrika spielt dabei eine entscheidende Rolle, insbesondere in Bezug auf den Kokainhandel. Laut dem World Drug Report der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2020 ist der Kokainhandel in Afrika signifikant angestiegen. Länder wie Guinea-Bissau und Nigeria haben sich zu wichtigen Transitpunkten entwickelt, von denen aus Kokain nach Europa und Asien weitergeleitet wird.
Der Wert des Kokainhandels auf dem afrikanischen Kontinent wird auf mehrere Milliarden Dollar geschätzt. Beispielsweise wurde 2021 in Guinea-Bissau eine Rekordmenge von 1,8 Tonnen Kokain beschlagnahmt, was einen Straßenverkaufswert von schätzungsweise über 100 Millionen Dollar hat. Insgesamt wird der globale Kokainhandel auf bis zu 120 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt.
Die Vorstellung, dass die Wagner-Group einen Anteil an diesem enormen Markt haben könnte, indem sie Schutz für diese Drogenrouten und -umschlagplätze bietet, ist nicht abwegig. Diese Aktivitäten könnten zu ihrem Geschäftsmodell passen, da sie ähnlich wie die Sicherung von Rohstoffen funktionieren würden: Die Gruppe bietet Schutz und erhält dafür einen Anteil an den Gewinnen.
Es ist jedoch zu betonen, dass diese Vorwürfe noch nicht bewiesen sind und weiterer Untersuchung bedürfen. Sollte sich herausstellen, dass diese Verbindungen bestehen, würde dies die Notwendigkeit einer gründlicheren Untersuchung und eines strengeren internationalen Vorgehens gegen solche Aktivitäten unterstreichen.
Es ist wichtig zu bemerken, dass die genauen Details und das Ausmaß der Beteiligung der PMC - Wagner-Group oft schwer zu verifizieren sind, da sie typischerweise in Gebieten operiert, in denen Transparenz und Rechenschaftspflicht begrenzt sind.
Die deutsche Sicherheitspolitik zeigt bisweilen Tendenzen, Bedrohungen wie die von der PMC - Wagner-Group zu unterschätzen, wie die Metapher vom „Deutschen Schlafwandler“ suggeriert. Dadurch werden proaktive Maßnahmen und präventive Strategien oft verpasst. Diese Nachlässigkeit erfordert eine strategische Neuausrichtung der Sicherheitspolitik in Deutschland und Europa.
Eine effektive europäische Verteidigungsstrategie könnte europäische Interessen in der zunehmend multipolaren Weltordnung verteidigen und gleichzeitig auf konventionelle und neuartige Bedrohungen reagieren. Bestehende Sicherheitsstrukturen sollten überdacht und erneuert werden, um ein koordiniertes, multilaterales Vorgehen gegen Bedrohungen zu ermöglichen. Hierbei ist es von entscheidender Bedeutung, die komplexen und vielschichtigen Bedrohungen in all ihren Facetten zu berücksichtigen.
Söldnergruppen wie die PMC - Wagner-Group repräsentieren nicht nur militärische, sondern auch wirtschaftliche, soziale und politische Herausforderungen. Ihre Aktivitäten sind häufig mit korrupten Praktiken, Menschenrechtsverletzungen und anderen Formen der Instabilität verknüpft. Um solche miteinander verflochtenen Herausforderungen effektiv zu bewältigen, brauchen wir einen ebenso komplexen Ansatz.
Dieser könnte die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit, den Ausbau von Transparenz und Rechenschaftspflicht, die Verbesserung von Präventions- und Reaktionsmechanismen sowie die Förderung von nachhaltiger Entwicklung und Stabilität einschließen. Deutschland und Europa sollten dabei aktiv ihre Rolle gestalten und eine führende Position bei der Formulierung multilateraler Antworten einnehmen.
Dafür ist ein umfassender strategischer Ansatz erforderlich, der militärische, zivile, wirtschaftliche, soziale und politische Faktoren berücksichtigt. Die Erkennung und Bekämpfung von „Black Elephants“ wie der PMC - Wagner-Group ist eine Frage der Sicherheit, aber auch eine Frage der Gerechtigkeit, der Rechtsstaatlichkeit und letztendlich der Bewahrung unserer gemeinsamen Werte und Prinzipien.
Unsere Sicherheitspolitik sollte daher robust, koordiniert und präventiv sein, um Bedrohungen für die internationale Sicherheit frühzeitig zu erkennen und effektiv darauf zu reagieren. Dies könnte durch folgende Punkte erreicht werden:
- Verbesserung der Intelligence- und Informationsgemeinschaft.
- Förderung der Rechtsstaatlichkeit.
- Anwendung von Sanktionen und anderen Druckmitteln.
- Einsatz für Transparenz und Rechenschaftspflicht in der Privatwirtschaft.
- Stärkung der internationalen Zusammenarbeit und multilateraler Institutionen.
Eine solche strategische Neuausrichtung würde den Grundstein für eine umfassende, präventive und koordinierte Antwort auf die Bedrohungen durch Gruppen wie die PMC - Wagner-Group legen und könnte einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Sicherheit, Stabilität und Gerechtigkeit in einer zunehmend vernetzten und komplexen Welt leisten.
Quellen:
- Financial Times. (2018). How Wirecard went from tech star to failed giant.
- Henderson, D. R. (2005). The Elephant in the Room.
- Kramer, A. E. (2017). Mercenary Army of Russians Secretly Fought in Syria.
- McKernan, B. (2019). The Russians are coming: inside the war fought by mercenaries.
- Meier, O. (2017). Nuclear Arms Control in a Multipolar World.
- Morgenthau, H. J. (1978). Politics among nations: The struggle for power and peace.
- Reese, S. D. (2020). Russia’s Shadow Warriors.
- Sardar, Z. (2010). The Namesake: Futures; futures studies; futurology; futuristic; foresight—What’s in a name?
- Taleb, N. N. (2007). The black swan: The impact of the highly improbable.
- Thukydides. (431 v.Chr.). Der Peloponnesische Krieg.
- BBC. (2020). Russia’s Wagner Group: Shadowy mercenaries in Putin’s service.
- Marat Gabidullin: Wagner. Putins geheime Armee. Ein Insiderbericht. Econ, Berlin 2022, ISBN 978-3-430-21085-0 (französisch: Moi, Marat, ex-commandante de l’armée Wagner. Übersetzt von Christiane Koschinski und Jörg Lukas).
- Silvia Stöber: Russland: Wie mächtig ist Prigoschin? In: tagesschau.de. 7. Januar 2023, abgerufen am 7. Januar 2023.
- ZDF: Prigoschins Konflikte mit Moskau : Die Wagner-Gruppe wird schwächer. Abgerufen am 23. Februar 2023.
- Link zur Arte-Dokumentation über die Wagner-Group
- Link zum ZDF-Bericht über die Wagner-Group