Unsere systemische dissoziative Identitätsstörung und der fehlende 2. Beobachter

Heute wollen wir uns wesentlichen Fragestellungen nähern, um so auf einen zentralen Aspekt des Lebens und der Logik zu kommen, Einheit und Differenz, Wahrheit und Interpretation, Sinn und Unsinn. Wie gelingt das besser als durch eine Hyperbel, durch Vergleich mit einer Krankheit, in welcher der Betroffene durch Erlebnissen seine Einheit so aufgegeben hat, wie wir als Gesellschaft?

Allgemein muss man zunächst fragen, wer sind wir eigentlich entkoppelt selbst, und gekoppelt, verbunden in der Gesellschaft? Hat man darauf eine Antwort kann und muss man konkreter fragen, z.B. was ist eigentlich in der Ukraine warum los und wie lässt sich Hoffnung auf Frieden mehren?

Verfolgen wir diese Fragen heute aus den Sichtpunkten des Allgemeinen und des Speziellen und lassen wir den Dingen ihren Lauf.

1. Dissoziative Identitätsstörung oder der Verlust der Einheit durch Differenz
Steigen wir zuerst mit der Schilderung einer Krankheit, die uns alle mehr oder weniger schon zu berühren scheint, einige (ca. 2 % der Menschheit) sogar bereits beherrscht: Betroffene, die gar nicht mehr wissen, wer sie als Einheit sind leiden unter einen dissoziativen Identitätsstörung. Die betroffenen Extremfälle haben wechselnde Identitäten mit jeweils eigenem Selbstbild und -konzept, wechselnde Einstellungen und Gefühle. Hinzu kommen Erinnerungslücken und auch Symptome ähnlich in der posttraumatischen Belastungsstörung. Dazu gehören insbesondere Depressionen, Angst-, Schlaf- und Essstörungen. Sucht- und ängstliche, vermeidende und Borderline-Verhalten. Markante Unterschiede zwischen den Identitäten sind dabei nicht ungewöhnlich, auch das empfundene Alter oder Geschlecht. Eine mögliche Erklärung für unseren derzeitigen Schönheits- und Genderwahn?
Das gesamte Symptombild weist eine besondere Bandbreite und Variabilität auf, obwohl die Betroffenen ihre Identitätswechsel oft lange Zeit nicht als definierte, sondern als unklare Störung wahrnehmen. Der Mensch mit dissoziativer Identitätsstörung merkt durchaus, dass etwas nicht mit ihm stimmt, er weiß jedoch oft nicht was: Er kann das Problem nicht beschreiben und findet daher auch nicht von alleine aus seiner Situation. Suchtprobleme sind nicht selten die Folge, die Suche nach sich selbst unterhalb der Logik oder gar die Flucht vor sich selber, so wie ich sie sogar bei gestandenen Managern beobachten musste.
Auch NeuroScience untersucht mit modernen Ver­fahren. So wissen wir, mit dem geistigen Identitätswechsel ändern sich messbare körperlicher Vital-Werte über das vegetative Nervensystems wie Puls, Blutdruck, Muskelspannung, Sehschärfe und Aktivität des Gehirns (Bewusstsein).

Ist es nicht so, dass der Zustand „dissoziativer Identitätsstörung“ unsere Gesellschaft, unser Bewusstsein oder noch pauschaler uns als Kultur derzeit besonders treffend als Tendenz beschreibt? Wir differenzieren immer stärker aus und haben unsere Einheit längst verloren! Das hat systemische Gründe, die wir kennen aber nicht adressieren. Unsere Governance schläft. Das ist ein ernst zu nehmendes Dilemma.

Doch bevor wir uns der Gesellschaft als Ganzes zu wenden wollen folgen wir zunächst der Frage: Wer sind wir überhaupt?, als Person.
Die Frage nach der inneren Einheit ist eine Frage, die wohl fast jeden Menschen früher oder später einmal grundsätzlich beschäftigt, der sich seiner selbst bewusst werden will (s. Ausführungen zur Metakognition).

Als soziales Wesen existieren wir nicht nur durch uns selbst, sondern eben erst durch Verbindung zu anderen. Und trotzdem achten wir besonders auf unsere Selbsterhaltung durch Nutzung von Objekten oft stärker als auf die Erhaltung dessen, wovon wir abhängig sind, von der Natur und der Gesellschaft. (s. Prof. Göbel zur notwendigen Beachtung von Symmetrie in Nutzen und Pflicht in der BWL).

Da der abgetrennte Mensch Wahrheit kaum reif erkennen kann und seine Triebe, oft noch schlimmer seine trainierte Motivation nur selten in soziale Symmetrie von Nutzen und Pflicht bekommt leiden Gesellschaft und Natur am Menschen selbst. Das Kernrisiko des Menschen ist damit der Mensch selbst, der es nicht schafft das große Wort Nachhaltigkeit (Sustainbaiblity) überhaupt in Einheit seiner selbst und in Gesellschaft zu verstehen und zu organisieren. Was wir als Folge auf die fehlende Symmetrie (unsere Risiken, Krisen, Katastrophen) als Adaption sehen ist blinder Aktivismus, oft nur Show (Selbstbetrug), die uns ruhiger schlafen lassen, uns die dissoziative Identitätsstörung nehmen soll. Ob BIO Produkte z.B. die Welt retten werden muss ein klar denkender Mensch verneinen. Genauso wenig halfen Ablassbriefe die Welt vor weiterem Übel.

Wahrheit
Wir betrachten die Welt mit unseren Augen und verwechseln das, was wir da als Abbild auf unserer „inneren Leinwand“ sehen mit der Realität. Denn die Dinge, die wir nicht sehen (s. blinde Flecken), beschreiben uns, unsere Verbindungen und die ganze Realität genauso wie das, was wir sehen und dabei naiv glauben, dass dies die Realität ist. Die Differenzierung, welche z.B. Luhmann zur Definition des selbst durch Abtrennung nutzte definiert durch Unterscheidung das Subjekt (System) vom Objekt (Umwelt) oft schärfer als eine positive Aufzählung von Merkmalen, in der wir uns schnell verlieren. Orientierung durch (ungenauen) Vergleich, ein soziales Phänomen der besonderen Klasse.
Wir haben als Menschheit angefangen alles zu objektivieren, zu wiegen und zu messen. So kamen wir zum Weltbild der abgetrennten, materiellen Welt, dem sogenannten „Newtonschen Weltbild“, ein unterkomplexer Irrsinn, der sich besonders im Wiener Kreis fand, dessen Trivialität noch immer zahlreiche Menschen in ihrem Bewusstsein gefangen genommen hat. Wir deuten die Welt so, wie wir als Menschen damit am besten klar kommen. Doch dies ist nicht die Wahrheit, die Realität. Der Preis dieser „Krone der Schöpfung“ Sicht ist die Zerstörung der einen Wahrheit und der Beginn unserer dissoziativen Identität.
Der Wiener Kreis postulierte: „wahr ist einzig das was man sieht, anfassen und messen kann“. Die unterkomplexe Wahrheit des abgetrennten Materiellen.
Dem Abgetrennten geben wir Namen, die wir abwechselnd als Subjekte oder Objekte verwenden. Relationen zwischen den Namen beschreiben wir als Verb, meist als Tätigkeit, einen Vorgang oder einen Zustand. Das zentrale Element unserer Satzaussagen ist das Prädikat. Handlungen, die Subjekt und Objekt verbinden. Und wenn wir Handlungen auf andere Handlungen beziehen, diese in bestimmter Reihenfolge, Mischverhältnis organisieren, dann entstehen komplexe Dinge mit neuem Nutzen. Systeme.

Beispiel Digitalisierung
Wenn sie nun gefragt werden, was Digitalisierung ist, dann antworten sie: nicht-materielle Verbindung von Dingen als Subjekt und Objekt durch Daten (Repräsentanten) zur Steigerung des Nutzens.
Auch wenn die einzige Fokussierung auf den Nutzen aus Sicht der Nachhaltigkeit total unsinnig ist, beschreibt das, wie wir Digitalisierung verstehen wollen (Motivation), die Realität besser als der Hinweis auf eine theoretisch sinnvolle Symmetrie, die wir uns gerne einreden oder noch besser, einem imaginären, omnipotenten Gott zuschreiben; ersatzweise künstlicher Intelligenz.
Sinnvoller wäre sicher die Formulierung mit der Motivation zur Steigerung der Symmetrie zwischen Nutzung und Verantwortung. Doch diesen Sinn verstehen nur Weise, also so gut wie kein Mensch in unserer Gesellschaft mit zunehmend dissoziativer Identitätsstörung.

Das Herauslösen von Dingen (vgl. Kant) und deren Zusammenfügung zu Wirkungsketten durch Verbindung (Systeme) ist das, was uns als Menschen im Grunde beschäftigt. Die Kunst der (Ent-)Kopplung ist vermutlich die wesentliche Kompetenz eines reifen Menschen, der seine Ruhe durch gezielte soziale Kontakte noch kontrollieren kann.
Alle Menschen wollen abgetrennte Dinge mit Wert besitzen und nutzen, auch über die Notwendigkeite (s. 3. Wert Sokrates für eine gute Gesellschaft). Einfache Menschen üben Symmetrie in und durch sich selbst. Kluge schaffen und beherrschen Systeme, die aus Subjekten und Objekten durch Verkettung von Prädikaten Mehrwert zur höherwertigen Nutzung generieren. Doch wer übt sich wirklich in Symmetrie, also Nachhaltigkeit, nicht nur zur Show?
Da Digitalisierung besonders einfach sogar Entferntes und durch Programmierung verlässlich über die Zeit koppelt, verdienen Menschen, die Systeme zu gründen verstehen besonders gut und heute viel schneller als je zuvor. Elon Musk ist heute mit 51 Jahren reichster Mensch aller Zeiten. Doch fördert er mit seinen Systemen Einheit, Nachhaltigkeit oder nur für sich selber den Nutzen durch geschicktes Marketing?

Weise Gesellschaften verstehen, dass soziales Leben nicht funktioniert, wenn man als Gesellschaft nur nutzt und seine Nutzung (z.B. Abfall) nicht verantwortet. Doch weise Gesellschaften stehen der Gier von Mächtigen ständig im Wege, und daher hängen besonders Helfende gerne zuerst am Kreuz, da diese immer wieder zum Angriffsziel von angeblich entwickelten Gesellschaften werden. Die Indianer wurden vom weißen Mann nahezu ausgerottet, obwohl diese seit 300 Jahren die selbstzerstörerische Haltung unserer Gesellschaft erkannt und angemahnt haben. Doch wir sahen das in unserer künstlichen Abtrennung von der Natur und dem Ganzen nicht. Wir sprachen schon in einem binären Code, der für Dinge wie Einheit und Natur keinen Anschluss kennt. Da man Realität nicht langfristig kontrollieren kann zahlen wir nun die Quittung für unsere Gier. Wer übertreibt muss den Kater schon ertragen können lehrten mich meine Lehrer. Wie es Göbel beschreibt, Nutzung ohne Pflicht funktioniert genauso wenig wie eine Pflicht nicht ohne Nutzung. Es geht nicht aus.

Die Differenz der Realität zu unseren nutzenorientierten Trugbildern (Konsum) können wir heute in der WEF Risiken ablesen. Risiken, die bereits fast alle zu Krisen und Katastrophen geworden sind und die wir trotzdem nicht wirklich managen. Langsam erkennen wir, dass wir die Symmetrie zwischen Nutzen und Verantwortung als Mensch und als mächtige verbundene Systeme, Gesellschaften ignorieren. Das lässt unseren Puls steigen, macht uns düstere Gedanken, lässt uns an uns und unserer Gesellschaft zweifeln. Kurz, wir laufen immer stärker in eine dissoziative Identitätsstörung.

Chancen oder Risiko, Krise und Katastrophe?
Den Optimisten und den Pessimisten unterscheidet die Sicht, die Interpretation und das Bewusstsein der Welt. Während der Optimist auf die Chancen (Nutzen) achtet, verliert sich der Pessimist in einer geistigen Verantwortung, die er nicht befriedigend gestaltet bekommt. Gnostische Stabilität ist dem kritischen Menschen oft nicht gegeben. Daher haben kluge Menschen göttliche Wesen erfunden, um damit Geld und Macht zu generieren. Imaginäre Übermenschen sorgen sich wie die Heinzelmännchen um das, was wir als Menschen nicht können, halten uns im Kern von der Symmetrie zwischen Nutzen und Verantwortung durch göttlich erfundene Fürsorge ab, verkaufen somit unsere Welt. Und alles nur, damit wir nicht verantwortlich bzw. pessimistisch werden.
Im Grunde ist der Optimist naiv, denn er vergisst gerne seine Verantwortung. Der Pessimist sieht, dass dies nicht ausgeht, er fühlt sich aber machtlos. Die Lösung in Verantwortung für das Ganze sehen wir nicht, denn die Polarisierung (das „oder“) zwischen Optimist und Pessimist schließt die Lösung der goldenen Mitte, das „und“ aus.

Und hier sind wir schon mitten in der 2. Frage. Was ist denn da bitte in der Ukraine los? Hier stehen sich 2 Pole gegenüber, die beide von sich behaupten die richtige Deutung der Welt zu haben („oder“). Dieser Extremismus wird uns in den Untergang führen. Egal wer gewinnt. Und dabei tragen beide Positionen so viel Wahres in sich, was die andere Seite aber nicht zulassen will und per Definition auch nicht kann. So kritisieren wir z.B. zu Recht die Narrative, die Differenzierung der Welt von Putin als brutal und mittelalterlich. Er beansprucht die absolute Deutungshoheit und setzt sich über geltendes Recht durch Wahrheitsverdrehungen und Gewalt im Stil eines Faschisten durch. Ausgerechnet er, der sich gerne rühmt irgendwie am Untergang des Hitler Faschismus beteiligt gewesen zu sein, während sich Deutsche, die älter sind als er, also wirklich dabei waren sich unschuldig, entkoppelt geben. Wahrheit hängt also immer von dem ab, der über sie als Subjekt berichtet und passt oft nicht zu der Position des Objektes (s. Bild oben). Auf der anderen Seite führt Putin uns vor Augen, dass unsere Konsumhaltung in der beliebigen Freiheit ohne Verantwortung die Welt nicht retten kann, sondern die Kehrseite des Nutzens, die Verantwortung für das Ganze mit dem Füssen tritt. Jedoch hat weder Putin in seiner Blindheit das Recht oder die Legitimation zur gewaltvollen Kritik der anderen Seite, wie andersherum die Nato keine Legitimation hat, Putin in seiner Sicht gewaltmäßig zu kritisieren. Doch Putin und Nato streiten in ihrer Gegensätzlichkeit methodisch genauso sinnlos festgefahren wie unsere abgetrennten Parteien dualistisch um das „oder“ in einer längst verbundenen Zeit, die sich nicht mehr Dogmen folgend in einer unterkomplexen Deutung der Realität einsperren lässt. Zum Ärger des sendungsbewussten Subjektes, in diesem Fall besonders Putin, der seine Aggressionen destruktiv nun auch in der Ukraine entlud, wie 2019 in das Licht, das erlosch allgemein als Risiko beschrieben.
Es fehlt der 2. Beobachter, der die Relation der Beobachter 1. Ordnung in einen Kontext bringt, für konstruktiven, demokratischen Austausch und Konsens sorgt, damit Sinn fördert (was Sinn ist hatten wir bereits in einem Beitrag ausformuliert).

Wir haben gesehen und gelernt, dass die UNO die notwendige Position des Beobachters 2. Ordnung nicht hat. Denn die Sicht des 2. Beobachters kann durch Veto Rechte der Beobachteten für ungültig erklärt werden. Dies entspricht ggf. politischen Befindlichkeiten, ist jedoch erkenntnistheoretisch und mit Blick auf eine Weltgesellschaft totaler Mumpitz (zu dem Aufsatz von Luhmann 1971 plane ich einen gesonderten Beitrag) . Kurz, die UNO ist ein Organisation ohne Einheit, ohne eigenes Bewusstsein, ein Papiertiger, der dringend transformiert gehört, um Sinn, Macht und Kommunikation in eine symmetrische Grundstruktur zu bekommen. Heute sind die Strukturelemente dermaßen unsymmetrisch, dass es kaum darüber lohnt weiter nach zu denken. Das VETO ist Ausdruck einer Impotenz zwischen Beobachtern der 1. Ordnung methodisch und konsequent zu vermitteln.

Kommen wir nun zum Kern unserer Probleme. Wie erkennen wir Einheit in der Differenzierung und was hat es mit der Wandlung dabei auf sich

Wandlung
Fangen wir mit der letzte Frage der Wandlung an. Das Problem in unserer Kultur ist unsere statische Sichtweise. Wir sind Weltmeister im Abtrennen und der Ausdifferenzierung in höchster Qualität. Wir nutzen effizient, beschreiben das in Strukturen und Prozessen, was wir zu nutzen wissen. Doch wenn sich unsere Umwelt wie gerade zum 4. Mal in der gesamten Menschheitsgeschichte ändert, dann scheitern wir mit unseren Erfahrungen Dinge so oder anders zu machen. Denn Neues zu erkennen, das muss man gänzlich anders machen, als Dinge zu nutzen. Abduktion von Neuem versus Deduktion und Induktion zur Nutzung von Bekanntem.

Die Frage, wie man Neues überhaupt erkennen kann beschäftigte nicht erst die alten Griechen, bei denen die westliche Kultur das Denken bzw. die Geschichte beginnt.
Im Osten gab es weit früher Geistesschulen, die uns zum Teil im Westen heute noch verschlossen sind. Egal ob in Babylon (z.B. das Enneagramm), in Indien (z.B. Trimurti) oder in China (z.B. das Buch der Wandlung), überall finden sich zum Teil erheblich andere Anschauungen auf die Welt, die für uns bisher Unerkanntes sichtbar machen hilft. Und trotzdem gibt es nicht wenige Dumme, die glauben oder noch schlimmer glauben lassen (Kirchen, Ver-Führer, Radikale, Idealisten, Verkäufer, Lehrdenker usw.), dass sie als einzige die Wahrheit verstehen und daher berechtigt sind andere auch durch körperliche und geistige Gewalt zu zwingen, ihrer beschränkten, da abgetrennten Wahrheit zu folgen. Im Grunde versuchen wir ständig alle anderen von unserer Sichtweise und Meinung zu überzeugen. Die „Meinungskloaken“ der aSocial Media Plattformen laufen mit Sichtweisen, Meinungen über und verwirren uns, weil wir unsere Einheit längst verloren haben. Wie das warum Demokratien radikalisiert haben wir mehrfach behandelt. Doch heute gehe ich einen Schritt weiter. Facebook und co. machen uns krank. Wir verlieren nicht nur unsere äußere sondern auch unsere innere Einheit, weil wir uns nur noch mit granularen Meinungen und nicht mehr mit der gemeinsamen, einenden Analyse beschäftigen. Beschleunigter individueller Aktivismus frisst Einheit.

Differenzierung
Kaum ein Mensch lebt heute noch autark. Wir haben unsere Gesellschaft differenziert. Zuerst in Segmenten gleicher Art (Familie, Stämme, Länder, Nationen). Im Mittelalter trennten wir in Schichten von oben und unten, etwas, was unser Bewusstsein 250 Jahre nach der Aufklärung heute noch immer stark beherrscht. Hierarchien zeigen uns an, wer über was etwas zu sagen hat. Jedoch nicht mehr insgesamt, sondern in bestimmten Fragestellungen. Hier schimmert nun schon das durch, wonach wir die moderne Gesellschaft gegliedert haben. Funktionen. Grob gegliedert in den Sektoren Politik (Code Macht), Wissenschaft (Code Wahrheit), Recht (Code Gerechtigkeit), Wirtschaft (Code Geld), Bildung, Kunst usw. agieren zunehmend globale Funktionen, die poltische Einheit ignorieren. Die Meta Gruppe ist zum Beispiel eine Kommunikationsfunktion, etwas, was die Einheit, den Frieden einer Gesellschaft durchaus ernsthaft berühren und Menschen krank machen kann.

Der Verdienst Luhmanns ist es eine kontingente Erklärung zu liefern, wie wir unsere Einheit durch Ausdifferenzierung verloren haben. Er verweist darauf, wie die Teilsysteme ihre jeweils eingeschränkte eigene Wahrheit und Einheit finden und pflegen. So verloren wir schon längst die Einheit des Ganzen, weil die Freiheitsgrade des Speziellen in „freien Gesellschaften“ höhere Freiheitsgrade besitzen, als das Ganze, die Einheit. Wer das bezweifelt, der muss mir erklären, wie denn die Deutungshoheit für die Einheit bei uns organisiert ist, wo der Beobachter der 2. Ordnung zwischen Subjekten, Objekten und Prädikaten oberhalb der Sektoren vermittelnd fehlt. Was durch Gesetz nicht verboten ist, das ist erlaubt. Schaut man auf die Aufbauorganisation unserer Gesellschaft und die zugehörigen Prozesse, so ist unser Bundespräsident ist der einzige in unserer Gesellschaft, der das Ganze vertritt. Der Rest ist Sektoren zugeordnet. Das Volk ist als humane Ressource multiple Teilsystemen zugeordnet und befindet sich in unterschiedlichen Wahrheiten, Einheiten, die immer mehr auseinander zu laufen scheinen. Deutschland ist nur noch politisch eine Einheit, Wirtschaftlich wird der Ball längst global gespielt, was aufgrund der Verschränkungen, Münch sprach 1991 treffend von der Interpenetration der Teilsysteme, was besonders für eine Weltgesellschaft gilt.
Betrachten wir die Reife unserer Einheit, dann muss man nur den betrachten, der dafür letztendlich verantwortlich ist. Hat er eine Methode zur Verbindung der unterschiedlichen Sektoren, Hierarchien und Funktionen? Nein, er hat noch nicht einmal einen Raum für die Einheit, keine Lern- und Lösungsfunktion.

Die Folgen der Ausdifferenzierung ohne 2. Beobachter für die Einheit
Das Wirtschaftssystem sieht nur Dinge, die ihr binärer Code Geld zulässt. Und im Wirtschaftssystem haben wir weiter ausformuliert. Spezialisten erkennen messerscharf Teilaspekte, verstehen aber den Zusammenhang nicht mehr, da er außerhalb ihres Codes liegt. Nassehi führte in der Darstellung der sozialen Theorie Luhmanns sehr anschaulich aus, wie dadurch Teilwahrheiten und Teileinheiten entstanden, welche gegenüber dem Ganzen zunehmend blind werden. Halt! Genau darauf wies uns doch schon Schiller hin, als von Humboldt die Mode anheizte sich in der Tiefe zu verlieren. Wir besingen das sogar in unserer EU Hymne. Der US-Japaner Maruyama schrieb darüber, als ich geboren wurde. Vester machte mit seinem Bericht an den Club of Rome aufmerksam. Luhmann schloss den Bogen mit seiner Betrachtung, die systemisches deutlich macht, was man im Speziellen kaum erkennen kann.

Spüren sie langsam, worauf das Ganze hinaus läuft?
Wenn wir uns als Menschen in Systemen zu Leistungseinheiten zur Nutzung und zur Pflicht zusammen schließen, dann machen wir das nicht mehr aus einem Gedanken der Einheit heraus. Wir schauen einzig blind durch unsere „Spektralfarben“ unserer Abtrennung und behaupten nicht nur uns gegenüber, dass wir die Wahrheit verstehen. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Und wenn wir uns so in verschiedenen Systemen blind fraktal gestalten, wer sind wir dann als Bewusstsein am Ende, wenn nicht dissoziativ gestört?

Hier sind wir bereits bei Putin angekommen, dem mittelalterlichen Aggressor, der die Welt im Narrativ eines Luis XIV vergewaltigen will, damit er sich weiter die Taschen durch sein triviales Konzept Macht gegen Bodenschätze vollmachen kann (Nutzen).
Wir sehen bereits hier, ein Hauptrisiko der Welt ist, wenn Menschen mit Macht wirklich glauben (Irrsinn), dass sie die einzig wahre Deutung der Welt inne hätten und andere durch Manipulation (Gehirnwäsche) oder Macht (Gefängnis, Entzug von Privilegien, Beförderung usw.) zwingen wollen, der eigenen Sicht zu folgen (Faschismus).

Kriege entstehen immer dann, wenn eine andere Position davon ausgeht eine bessere Sicht auf die Realität zu haben und sich der Macht des anderen widersetzt und kein Kompromiss angestrebt wird. Puntin hat als Subjekt die Ukraine gegen deren Willen zum Objekt seiner veralteten Sichtweise gemacht. Und die Ukraine als Subjekt lässt das nicht zu, akzeptiert die Sichtweise Putins nicht und möchte sich nicht mit ihm verbinden (Entkopplung), kein System mit Putin begründen, wie die meisten ehemaligen Staaten der sinn-implodierten UDSSR im Übrigen auch. Der Konflikt polarisiert dabei vom Speziellen auch auf das Allgemeine. Putin sammelt hinter sich andere Nationen, welche sich durch mittelalterliche Narrative ähneln. Da sehen wir z.B. den Iran, einen Gottesstaat, der Anschluss an Putins Zukunftsverweigerung findet. Oder China und Indien, Nationen, mit starker eigener zentralistischer Vergangenheit, die sich von den Industrienationen ausgeschlossen und übervorteilt fühlen. Sozialneid kann sehr gefährlich werden.
Auf der anderen Seite tummeln sich Staaten des Westens, die Ideale des freien Willens hochhalten und die Welt in ihrer Konsum-Maschinerie an den Rand des Zusammenbruchs geführt haben, obwohl dort nur ein Bruchteil der Menschheit lebt.

Diese Betrachtung ist einigen zu einfach. Zugegeben das Spezielle sieht immer anders aus. Aber im Allgemeinen kann man (man kann auch anders) unsere Welt wie folgt beschreiben:

Struktur und Prozess sind nicht gegensätzlich sondern bedingen sich als Teil einer Welt gegenseitig. Das Operieren von Teilsystemen erfordert ein ständiges Abgleichen des Optionsraumes in einer unendlich komplexen Welt, die wir nur näherungsweise verstehen. Der Widerspruch eigenständiger, autopoietischer Teil-Systeme in Einheit löst sich erst durch den Beobachter 2. Ordnung auf. Diesen Beobachter haben wir jedoch vergessen für wesentliche Fragen sauber zu organisieren. So gibt es besonders in Deutschland keinen, der in übergeordneten Fragen wie z.B. einer Intervention von Corona auf die gesamte Gesellschaft (Einheiten), bei Umweltkatastrophen und der Digitalen Intervention auf alle unsere Verbindungen vermittelt, koordiniert.
Hier warten wir also auf das Nacheinander der Teilsysteme, ihre zufällige Interpenetration. In einer beschleunigten Hypermodernen geht das nicht mehr aus.

Was hätten wir lernen müssen, als nicht Putin sondern Napoleon vor unseren Toren stand?
Wir erkannten bereits als Napoleon plötzlich vor den Toren Preußens agierte (neues Risiko), dass die konfligierenden Königshäuser zu schwach und zu langsam waren eine passende Antwort auf die Aggressionen zu geben. Erst die Einheit machte uns stark.
Wir wissen seit Piaget, wie wir die Anpassung der verlorenen Einheit auf die Intervention von Putin differenzieren müssen. Weil unsere Governance nicht lernt wiederholt sich Geschichte heute. Nach 20 Jahren digital verpasster Transformation gibt es keine Chancen/Risiko-, Lern-, Lösungs- und Adaptionsfunktion für unsere Gesellschaft und auch nicht für deren Segmente, Hierarchien und Funktionen.
Damals bekam Freiherr vom Stein erst den Auftrag das eigene System anzupassen (Akkommodation), als bereits 50 % des Besitzstandes verloren waren. AO Psychologisch kann man das mit Blick auf den Pädagogen Piaget gut erklären. Wenn sich die Umwelt ändert sehen wir das nur, wenn uns das direkt berührt; die strukturelle oder prozessuale Blindheit, die Luhmann für Systeme heraus arbeitete. Und was wir nicht sehen, das wissen wir nicht. Und was wir nicht wissen macht uns auch nicht heiß. So werden aus Risiken Krisen, die man spürt.
Auf das Risko Putin haben wir neben anderen methodisch genauso hingewiesen, wie auf das Chaos bei Corona, dem Hochwasser. Aber es wollte nicht gesehen werden, weil es Partialinteressen in unserer Gesellschaft nicht in der Pflicht erreichte. Viele schauten in Corona einzig auf ihren Nutzen. Daher verließ ich enttäuscht meinen damaligen Partner und nach rhetorischen Angriffen aus der Wissenschaft auch Deutschland. Bei uns hat Einheit gar keine Stimme, Meinung, da der Beobachter der 2. Ordnung fehlt, bzw. nichts an sich heran lässt und er sich aus dem heraus hält, wozu ihn sein Eid bindet.

Erst wenn der Schmerz größer wird als der Nutzen versuchen wir Risiken, die oft schon Krisen sind zu lösen. Nicht etwa durch eigene Anpassung sondern durch erhöhten Ressourcenaufwand. Piaget nannte das Assimilation. Die Umweltänderung soll sich doch bitte einfach auflösen, wenn das Subjekt erhöhten Ressourcen-Einsatz zahlt. 100 Milliarden, 200 Milliarden, ich bin sicher auch bald durch 500 Milliarden Pakete. Ist uns bewusst, dass unsere Regierung einzig so reagieren kann, da sie in sich selber gefangen ist? Sie kann gar nicht das vollbringen, was Piaget durch Akkommodation, also Transformation beschreibt. Doch wir sehen, dass dies immer notwendiger wird. Doch der Beobachter der 2. Ordnung, unser Bundespräsident schläft. Seit seiner Nominierung zur Wiederwahl versuche ich darauf aufmerksam zu machen. Doch alle sind in ihren Teilsystemen gefangen, Artikel 20 GG ist zu generisch formuliert und organisiert und bietet nichts für die Dynamisierung, die Umgestaltung unserer Gesellschaft. Die strukturelle Selbsteinschränkung reduziert unsere Komplexität- und unser Kontingenzbewusstsein (also das Bewusstsein, dass man Dinge auch anders, besser, sinnvoller) machen könnte.

Zusammenfassung
Kommen wir heute zum Ende. Deutschland hat ein Grundsatzproblem wie die meisten Staaten im Westen. Es hat sich selber vergessen. Einheit ist zwar unser erster Wert in der Theorie, doch in der Praxis haben wir uns längst in der Entgrenzung und funktionalen Differenzierung der Modernen verloren. Wenn man sich heute mit Menschen unterhält und diese fragt, wer sie denn bitte selber sind und was ihnen z.B. als Wert wichtig ist, dann wird Deutschland induktiv nicht mehr bestätigt (s. das Auseinanderlaufen der individuellen Werte von unseren Werten Einheit, Recht, Freiheit). Unsere Einheit ist nur noch ein politisches Konstrukt aus der Vergangenheit. Am 3. Oktober feiern wir und suggerieren Einheit, die es gar nicht mehr wirtschaftlich (internationale Funktionen wie Amazon beherrschen uns zunehmend grenzüberschreitend), wissenschaftlich (internationale Research Cluster) und rechtlich (internationale Normen und Gesetze) gibt. Putin verweigert gerade mit Gewalt die weitere Entgrenzung der Welt und es fehlt der 2. Beobachter mit legitimierter Deutung, der ihn in seiner brutalen Sicht, die der von Luis XIV ähnelt entgegen treten kann.
Siegfried J. Schmidt postulierte 1987, dass autopoietische Teilsysteme induktiv, konservativ handeln und einander justieren. Die Idee, dass Vertreter diese Teilsysteme als Ganzes methodisch deuten bedingt zuerst einen Raum und dann die Methode.

ROMI stellt nicht Systeme, deren Teile oder gar Menschen in den Mittelpunkt sondern den Sinn, besonders durch Fragestellungen. Luhmann selber beschrieb bereits 1971 generisch (also allgemeingültig) darüber, dass Wandlung kompensierend zu Struktur und Prozess gestaltet werden muss, seine Lern- und Lösungsfunktion. Diese Funktion haben wir zu einem Prozess ausformuliert, welche den Bedarf ihrer Anwendung selber erkennt. Wenn ein Mensch oder ein System in seiner Nutzungs- und Pflichthaltung irritiert wird, es also neue Chancen oder Risiken gibt, dann ist er gut beraten sich selber in einer Position des 2. Beobachters zu reflektieren. Dafür hat die Natur uns die Fähigkeit gegeben. Über den Menschen hinaus wird es komplizierter und es muss organisiert werden. Nicht abgetrennt, sondern verbunden, systemisch, gesellschaftlich oder sogar mit Weltblick. Erst wenn die Kybernetik erster und höherer Ordnung der Chancen und Risiken gemeinsam verstanden ist lässt der Prozess systemische Meinungen zu, die anhand der Analyse und weiterer strategischer Aspekte priorisiert und ausgewählt worden sind. Doch was zählen Analysen und Ideen, die nicht durch Adaption der Systeme in Struktur und Handlung in die Welt kommen? Nichts. Daher schließt ROMI nicht wie Design Thinking und anderes Stückwerk hier ab sondern begleitet bis zur Adaptionsentscheidung und Umsetzung. Man kann Neues bewusst ignorieren. Helmut Kohl machte das zum Aussitz-Prinzip. Man kann auch versuchen Neues zu assimilieren, indem man 100 Milliarden seinem System an zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung stellt. Jedoch erfordert die Digitalisierung als grundsätzliche Intervention auf alle unsere Systeme durch den allgemeinen Wechsel von materieller (die Wahrheit des Wiener Kreises) auf energetische Kommunikation (die Wahrheit der Quanten) die Adaption aller unserer Systeme. Und dafür fehlt überall eine Funktion des Wandels im Westen.

Im Kern berichte ich seit 2015 darüber. Zugegeben, mein eigenes Verständnis ist in den letzten 7 Jahren massiv gereift. Doch das Allgemeine ist unverändert. Und das Allgemeine fordert uns in einer Zeit, in der Spezielles durch die Digitalisierung verbunden wird. Wir müssen endlich wieder Kräfte aufbauen, die nicht nur auf die Bäume im Speziellen achten, sondern als Beobachter der 2. Ordnung den Wald allgemein ins Visier nehmen. Wissensmanagement reicht nicht mehr aus, wir müssen das Erkennen selber, das volle Bewusstsein in den Fokus nehmen. Und das geht weit über die Logik und ihre eingeschränkten Instrumente hinaus.

Vertiefend zu Extremfällen dissoziativer Identitätsstörung:

  1. https://youtu.be/olCeiUXrARw
  2. Buch von Ursula Gast und Gustav Wirtz: Link
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