Technokraten verspielen unsere Zukunft - Das ignorierte soziale Geschenk

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum sich Deutschland die 3 Werte
Einheit, Recht und Freiheit gegeben hat und was es damit derzeit auf sich hat?
Nein, das sollten sie aber!
Warum? Ganz einfach, weil sich gerade alles ändert, was wir besonders in der Nachkriegszeit aufgebaut und organisiert haben. Unsere Gesellschaft, unser soziales Konstrukt.
Ich versuche es Ihnen heute verständlicher zu machen. Zunächst, das, was man gemeinsam nutzt basiert einzig auf Kommunikation. Unser Leben oberhalb des abgetrennten Menschen bezeichnen wir als soziales Konstrukt. Und dieses Konstrukt entsteht erst durch Verbindung. Und Verbindung bedeutet Kommunikation.
Die Kommunikation änderte sich bekanntlich. Und mit der Kommunikation änderte sich das soziale Wesen. Dinge wurden auf einmal mit dem Fortschritt der Kommunikation möglich, von denen der Mensch früher nur träumen konnte, auch wenn wir durch einen Denkfehler dazu tendieren zu behaupten, früher sei alles besser gewesen. Die Fakten sprechen dagegen. Dazu muss man nur den höchsten Wert der Deutschen anschauen, nein, nicht die Einheit, diese ist doch nur ein Konstrukt des Allgemeinen, des Gesamtsystems. Der egoistische Mensch denkt natürlich zuerst an sich, an seine Gesundheit, an seine Familie und den Erfolg, den er hat: Link.

Zurück zum Sozialen, welches sich zumindest als Wert der Einzelnen in der Familie wieder findet. Kommunikation determiniert unsere Denkweisen, unser Bewusstsein und ganz wichtig unsere sozialen Systeme. Und jetzt kommt das Entscheidende, unsere Systeme kommunizieren durch die Digitalisierung nicht nur anders, sie verändern sich auch grundsätzlich, wenn die Kommunikation sich ändert. Soziologen wie besonders Giddens, aber auch Luhmann, Nassehi uvm. sind sich darin einig. Wenn sich Kommunikation ändert, dann verschwinden soziale Subsysteme, Funktionen. Andere werden gestärkt und wieder andere bleiben fast unberührt. Die Kirchen z.B. überlebten bis zur Aufklärung, dem Buchdruck. Aber auch hiernach haben sie es geschafft sich zu bewahren, auch wenn ihre Basis zumindest im Westen dramatisch schmilzt. Bis heute wurde ihre Mehrwert nicht konsequent transformiert.
Wer in einer grundsätzlichen Transformation bleibt, wächst oder verschwinden muss hängt einzig davon ab, wie sinnvoll er sich in der neuen Kommunikation, also Systembildung selber positioniert. Das Problem dabei, wir schauen alle nur abgetrennt auf unsere Füße und unseren Besitzstand und versuchen das unsrige unter allen Umständen zu bewahren. Das macht uns zäh, manchmal hysterisch, wie ich weiter unten zeigen werde chaotisch und endlich sinnlos. Unser Ende.

Es geht also über den neuen Sinn, den die Digitalisierung erst ermöglicht. Und jeder, das ist das fatale an der Organisation der Demokratie, des Westens schaut abgetrennt auf das, was dort passiert. Jeder? Nein, es gibt Ausnahmen. Freunde, die mehr Erfahrung haben als ich schätzen, dass ca. 80 bis 95 % der Menschen im Grunde egoistisch dominiert sind und ständig brüllen „Where is my Cheese“, eine Geschichte, nach der wir versucht hatten in den 90ern Xerox zu transformieren, was aufgrund einer international uneinigen Governance nur bis zu einem ganz besondern Punkt gelang. Als junger Firstline Manager lernte ich bereits, wie toxisch fehlende Einheit in Transformationen ist, da sie Chaos fördert.
Unsere Einheit haben wir alle insgesamt zu schwach im Rausch der Abtrennung und der damit verbundenen „Technokratisierung“ organisiert. Das fängt schon bei der Frage an, wer denn die Governance Aufgabe für das Ganze in unserer Gesellschaft (global, regional, national usw.) hat und Transformationen in Einheit versteht und managen kann.
Im Grunde schauen bei uns alle auf die Schatten in der Höhle, also auf das Spezielle. Das Allgemeine, das Ganze war und ist schon immer Aufgabe der Leitung. Im Grunde gilt von der Tendenz, je abstrakter man denken kann, desto höher steht man in der Hierarchie. Experten sind für das Spezielle gut, General Manager (gibt es auch General Leader?) sind für Cluster von Speziellen Dingen gut, der CEO aber ist für das Gesamtsystem in seiner Passung zur Umwelt verantwortlich, so wie der Präsident von der Rolle für die gesamte Gesellschaft.
Nun ist es so, dass je höher man in Organisationen unterwegs ist, desto geringer wird das Knowhow, was da mit der Digitalisierung im Speziellen eigentlich passiert, um darauf auf das Allgemeine zu schließen.

Der blinde Fleck unserer Governance, der uns derzeit alle erschüttert und unsere Zukunftsfähigkeit längst genommen hat. Um es auf den Punkt zu bringen. Die Digitalisierung ist ein unerkanntes Geschenk (Chance), denn sie ermöglicht Dinge, die vorher nicht möglich waren. Dirk Baecker spricht für viele kryptisch vom digitalen Über-Sinn, der nur in die Welt kommt, wenn man sich mutig fallen lässt und Nein zu SICH (besser seinem alten EGO) selber sagen kann.

Das Problem unserer Gesellschaft ist ihre Blindheit, ihre Impotenz im Umgang mit dem allgemeinen Geschenk der Digitalisierung. Das Nichterkennen und die fehlende Kompetenz neue Optionen als Chancen und Risiken zum Nutzen aller zu managen. Und das hat einen zentralen Grund, unsere Grundorganisation, unser materiell-orientiertes Bewusstsein, welches aus der Kommunikation der Papierzeit und Logik noch immer determiniert ist. Wer kann z.B. von sich behaupten, dass er über das für die Digitalisierung notwendige systemische, kybernetische Bewusstsein verfügt? Computer lernen methodisch, durch AI. Doch wer beherrscht als Mensch und noch wesentlicher als System schon die Abduktion, hat dafür eine Funktion?

Das Problem mit unserem materiellen Bewusstsein
Steigen wir hier etwas tiefer ein. Was ist eigentlich der maßgebliche Unterschied zwischen Papier und Internet-Kommunikation?
Kommunikation über Papier war ein deutlicher Fortschritt gegenüber sprachlicher Kommunikation, auch wenn alles im Leben Vor- und Nachteile bietet, das sollten wir grundsätzlich immer in Betracht ziehen. So macht es große Freude sich räumlich und zeitlich synchron mit demjenigen zu treffen und zu unterhalten, den man mag. Jedoch ist es unangenehm und oft aufwändig (Reisezeiten und Kosten) das gleiche mit Menschen zu machen, die man nicht so gerne hat.
Doch der Raum und Zeit-Bezug der sprachlichen Kommunikation hatte erhebliche Limitationen, Nachteile.

Sollen sprachliche Nachrichten über Zeit und Raum transportiert werden, so benötigte man Menschen, welche Nachrichten übertrugen. Und da der Mensch interpretiert und nur eingeschränkt komplexe Geschichten behält, versteht war diese Übertragung über Zeit und Raum sehr fehleranfällig, langsam und teuer.

Das änderte sich dramatisch, als die Schrift und das Papier erfunden wurden. Komplexe, schwierige Sachverhalte, die das Medium selber nicht mehr verstehen musste, konnten auf einmal vom Sender direkt aufgeschrieben werden und ließen sich transportieren, aufbewahren. Aber auch hier musste nach der Erstellung der Nachricht, das materielle Medium gemanagt werden. Liege, Wartezeiten und Transport- sowie Transformationskosten (Übersetzung, später Scannen, Kopieren) standen an.
Zu Beginn der Digitalisierung erlebten wir, wie innerhalb von Systemen (Firmen, Abteilungen, aber auch in Familien) sich digitale Systeme bildeten, die untereinander kommunizierten. Die Zeit der Host-Terminals und später der Personal Computer. Wer Zugriff auf diese Systeme hatte konnte digital, also zeitgleich und ohne Transformation auf ein anderes Medium, also medienbruch-frei kommunizieren. Drucker transformierten in die abgetrennte Papierwelt, die über eine ausgeklügelte Logistik in den Firmen und zwischen Organisationen international funktionierte. Jedoch aus heutiger Sicht entschleunigt, da der Transport oft mehrere Tage benötigte.
Das ist nun seit fast 20 Jahren mit Web 2.0 vorbei. Eigentlich. Aber unser Bewusstsein ist träge, besonders dann, wenn man nicht methodisch, systemisch lernt.
Heute gibt es ein weltweit verbundenes Kommunikations-System, das Internet. Im Grunde sind alle Systeme nur Kommunikationssysteme, aber das ist ein anderes Thema (s. Luhmann).

Dieses weltumfassende System hat nahezu alle Menschen einfach, manche auch mehrfach verbunden. Und es sind nicht nur die Menschen, sondern es sind auch die Dinge (IoT), die anfangen sich automatisch zu unterhalten, abzugleichen, wichtige Daten an die Systeme melden, die damit umzugehen wissen.

Wenn wir mal abstrakt betrachten, was dort passiert ist das nahezu ungeheuerlich. Das Internet deckt nun das ab, was wir früher einem Gott übertragen haben, weil wir glaubten, dass es göttlich sein muss, die ganze Welt zu umfassen und zu wissen, was wo wie und warum passiert. Das Internet kann das, zunehmend, immer besser, da alles miteinander verbunden ist, zumindest das, dem wir Bedeutung zumessen. Doch wer steuert das Internet warum, durch was wie? Lassen wir das mal als Frage so bewusst im Raum, denn hier sind wir bei der alles entscheidenden Frage der Macht angekommen, die mich weniger interessiert als die Frage nach dem sozialen Sinn.

Gestern durfte ich mit einem CDO von globalen Playern in den USA austauschen, mit dem ich seit der Digital Master Class 2016 befreundet bin. Er hilft nicht nur den größten Konzernen weltweit bei der digitalen Transformation, er bildet Transformatoren global aus. Auch ich bin durch seine Schule gegangen, habe mit ihm 4 Tage in einer Gruppe von 17 Experten darüber sinniert, warum die Digitalisierung uns vor eine Aufgabe stellt, der wir in der Evolution der Organisation der Papierzeit nicht nur nicht gewachsen sind sondern zuerst nach dem ewigen Muster Piagets folgen: Ignoranz, Assimilation und erst am Ende, wenn es gar nicht mehr anders geht durch Akkommodation.
Unterschiede in den USA und Europa im Umgang mit der Digitalisierung?
Wir sprachen konkret über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den USA und in Europa, den deutschsprachigen Ländern und er reflektierte unseren sozio-technischen ROMI Ansatz.

Ich war erstaunt, wie klar und eingeschränkt er die Digitalisierung in den USA bezeichnete: „an IT funded experience“. Auch er berichtete, dass die Governance dort die Chancen und Risiken der Digitalisierung im allgemeinen nicht wirklich versteht und sich abgetrennt. Er meinte, es ist sogar noch schlimmer, denn über den CIO als Cost Center des CFO, als höchsten Wächter der Bestandsorganisation, wird der Wandel positioniert. Ein Rohrkrepier. Wie wahr formuliert!

Soziale Aspekte werden generell in den USA nicht sonderlich betrachtet, ein Grund dafür, dass im angeblichen Land der Freiheit weit mehr Gefangene pro 1 Millionen Einwohner einsitzen, als in jedem anderen Land auf dieser Erde.
Er berichtete über die Sorgen und Nöte der alten Organisationen, die Millionen von Menschen Arbeit geben, die sich aber durch die falsche, unvollständig verstandene digitale Kommunikationsänderung in eine Sackgasse manövriert haben. Wie bei uns in der DACH Region. Diese Unternehmen werden wohl alle mit ihren Arbeitsplätzen früher oder später sinnlos implodieren. Ganz genauso, wie das Sozialwissenschaftler allgemein beschrieben, aber nicht beachtet (passive Aggressivität) oder gar verstanden werden (fehlende Entscheidungskompetenz). Seine Kritik an den USA ist, dass dort im alten „Here we are, here we go“ Stile viele hoch agil aber kopflos agieren und dadurch Chaos, das Auseinanderlaufen der Gesellschaft befeuern. Also ganz genauso, wie wir das hier immer wieder beschreiben.
Das Zeichen für Chaos spricht Bände (auseinander-laufende Aktivitäten, welche die Einheit implodieren lassen), wird aber nicht von unserer Governance, die das ganze überall sogar noch stimuliert bedacht. Dummheit ist die nachhaltigste Gefahr nach der Ignoranz für jeden einzelnen und in der Einheit. Daher bietet Demokratie, wenn sie wirklich gelebt würde enorme Vorteile gegen Einsichtigkeit und ein falsches Bewusstsein in Bezug auf die Realität.

Chaos

Wir diskutierten dann über den sozio-technischen Ansatz von Ulich (ETH Zürich), dem Betriebswirtschaftlichen Institut für Organisation und Automation BIFOA (an der Universität zu Köln), welcher ihm, obwohl ansonsten extrem belesen, nicht bekannt war. Als ich ihm erzählte, dass dieser universelle System-Ansatz hilft, die Einheit eines Systems nicht aus dem Blick zu verlieren und ganzheitlich zu managen war er interessiert darüber mehr zu erfahren.
Also erzählte ich ihm meine Geschichte, wie ich den Ansatz im Studium lernte und ihn in Projekten anwendete.

Zuerst die Analyse der Aufgaben (Enterprise Task Management) mit den Zusammenhängen (Prozesses), den Aufgabenträgern (Mensch, deren Motivation und Know-how), den technischen Arbeitsmitteln. Und dann die Transformation, also die systemische Umorganisation durch verstärkten Technik-Einsatz. Welche Aufgaben sind die Kernaufgaben, wie lassen sich diese durch Funktionsbildung höchstmöglich automatisieren? Welche Technik sollte standardisiert werden, wo sind hohe Freiheitsgrade notwendig. Wer reflektiert und lernt so zur Verbesserung. Welche Rollen fallen weg, welche müssen neu gebildet werden. Wie werden die kritischen Erfolgsfaktoren gefunden, motiviert und auf dem Stand gehalten, wie werden Karrierepfade angepasst uvm.

Ich berichtete, dass die meisten zentralen Transformationen an ihrer Komplexität scheitern und wir bei ROMI dafür einen Ausweg gefunden haben. Ich berichtete über unsere Beschäftigung mit Piaget, der unseren Ansatz bestätigt. Adaption auf Umweltänderungen folgen einem Muster, den wir derzeit deutlich in unserer Regierung sehen. Die Umweltänderung der Digitalisierung ist bekannt, jeder redet über Transformation, aber keiner fühlt sich allgemein verantwortlich, da wir uns so in der Abtrennung verloren haben, wie es Schiller und später Goethe voraussahen und warnten. Doch bei uns hat allgemeines keinen Anschluss, weil wir das nicht organisiert haben und unsere Governance Dinge gerne delegiert. Auch die Dinge, die sich nicht delegieren lassen, weil ein Chief Purpose Officer fehlt!
Wir unterhielten uns, dass Digitalisierung im gesamten Westen grob fahrlässig an den CIO, also Technik delegiert wird. Der CIO, der als Cost Center, also in unterstützender und nicht treibender Funktion organisiert ist, soll also die maßgeblichste Intervention auf alle unsere Systeme verantwortlich managen? Wir beide hatten sofort Einigkeit, dass dies dringend geändert werden muss.

Dann sprangen wir in die Handlungstheorie, die in den USA im Gegensatz zu systemischen Ansätzen Anschluss hat. „Here we are, here we go“. Wir betrachteten Digitalisierung, die Transformation als notwendige Handlung und stellten fest, dass in den USA genau das gilt, was wir auch hier berichten.

Digitalisierung wird im Westen als „IT funded experience“ betrieben. Der Sinn folgt der Technik und ist folglich durch das Bewusstsein der Techniker limitiert. Die logische Folge unseres Governance Dilemma.

Als ich das methodische Vorgehen von ROMI erklärte verstand er sofort deren Stärke und wir beschlossen ROMI USA gemeinsam weiter zu verfolgen. Aber auch da hörten wir nicht auf. Wir tauschten über den Unterschied zum Osten, besonders China aus. Der Osten, so unsere gemeinsame Auffassung, versteht es nicht so sehr die Aktion und das einzelne Individuum in den Fokus zu stellen, sondern das Allgemeine, das Ganze im Sinne Foucaults zu betonen.

Denn was ist der Einzelne, was sind seine Rechte wert, wenn das Allgemeine als conditio sine qua non nicht gesund und stark ist? Etwas, was wir im Westen in unserer Selbstverständlichkeit verloren zu haben scheinen. Ich berichtete hier mehrfach, dass wir unsere Einheit nur noch als Wert hoch halten, es aber schon längst nicht mehr organisieren.

Das OSTO Modell zur Sinn-Rückführung (s. Rieckmann, Managen am Rande des 3. Jahrtausends)

Die Erhebung der wichtigsten 3 Werte (s. Link oben) kam eben nicht zum Ergebnis Einheit, Recht und Freiheit sondern Gesundheit, Familie und Erfolg. Ist uns bewusst, dass das, was uns als Gesellschaft zusammen hält in der Praxis gar nicht bestätigt wird? Ist unserem Kanzler, unserem Präsidenten usw. kurz unserer Governance überhaupt bewusst, dass ein System auseinander fliegt, wenn der gemeinsame Sinn nicht in der Handlung, im Bewusstsein bestätigt wird? Ich plane darauf in den nächten Tagen tiefer einzugehen. Dabei stelle ich Überlegungen von Karl Weik zum Prozess des Organisierens vor.
Unsere Abtrennung hat uns in tiefer liegende Höhlen geführt. Die relational gedachten Verbindungen werden nicht sauber gemanagt und die, die dafür verantwortlich sind (Governance) kommen ihrer Aufgabe nur selten nach und werden nicht passend reflektiert. Wir sind das Volk, aber eben abhängig von Repräsentanten, denen das Hemd näher ist als die Jacke. Schröder ist sicherlich nur ein Extrembeispiel von vielen. Maschinen haben kein Eigeninteresse, das hat nicht nur Nachteile :wink:

So gibt es in Deutschland zwar den neuen Corporate Governance Kodex, doch dieser wird nicht verbindlich und konsequent reflektiert. Ein Papiertiger. Show. Und die Reflektion unserer Medien war auch schon einmal schärfer. In Gesprächen mit Aufsichtsräten und Beiräten bestätigen mir einige sehr offen den Grund unseres Systemversagens. Reflektionsorgane werden gerne als „Beischläfer“ (Bezeichnung eines Beirates für seine Rolle bei namhaften privaten und öffentlichen Systemen) geführt, um den Eindruck einer Reflektion entstehen zu lassen, die es im Grunde gar nicht mehr gibt. Demokratie verkehrt. Nicht selten dominieren wenige über Show viele. Der Sinn der Reflektion folgte mit den Jahren dem nahe liegendem Hemd (Nutzen) auf Kosten der Pflicht, der Verantwortung für andere. Wir tolerieren das, weil sich keiner gerne mit der Macht anlegt. Die das gemacht haben sind auffällig früh verstorben oder wurden verfolgt. Rieckmann, Kruse, Jesus, Nawalny, Assange, Dutschke sind Beispiele. Reinhard Mey sang ein bemerkenswerte Lied darüber: Link auf seinem Album Leuchtfeuer, 1996.

Zurück zu dem gestrigen Gespräch mit dem US-Experten. Wir beschlossen in den USA alsbald mit Regionen zu reden, da diese nicht wie Staaten oder Nationen zu weit von den Lebenswelten, der Realität entfernt sind. Auch in den USA leiden die Bestandsorganisationen durch den aggressiven Angriff der Zukunftswelten mit ihrem Disruption Schlachtrufen. Finanzdienstleister, Versicherungen und selbst Behörden leiden wie bei uns, weil sie keine (digitale) Lern- und Lösungsfunktionen für ihr Systeme aufgebaut haben. Technologischer Aktivismus herrscht, ja. Aber der Sinn bleibt nicht selten im Chaos der hoch agilen Einzelteile auf der Strecke. Rieckmann hat dazu eine herrliche Grafik erstellt, die auf das Fehlen der Ambidextrie versteckt hinweist (der Artikel mit Göbel wurde zwischenzeitlich von der ZfO genehmigt, das Erscheinungsdatum ist aber noch nicht festgelegt. Auch hier erkennen wir, wie altmodisch wir in der Kommunikation neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse durch altmodische Strukturen gefangen sind, die abgerissen und neu gestaltet gehören!).

Brad verstand schnell. Jede reife Handlung auf eine Umweltänderung benötigt einen Plan der Adaption (darüber schrieb Piaget Grundsätzliches). Aber ein Plan benötigt einen Grund. Er verstand sofort, warum ROMI mit einem Chancen und Risiko Radar beginnt. Der Purpose! Wie man methodisch lernt, das kannte er, denn es war Teil seiner Schule. Doch dass man Purpose erkennen, Lernen, Gestalten und Systemanpassung in eine Aufgabe, in einer Funktion zusammen bringen kann und das bereits in der Digitalisierung in Weltkonzernen ausprobiert und ausgezeichnet wurde war ihm neu.

Und dann sprachen wir über die Digitalisierung als missverstandenes soziales Geschenk und davon, dass wir alle opportunistisch im Westen auf unsere Füße schauen, weil wir genau das so gelernt haben. Wettbewerb, Eigennutz, Gier. Die Notwendigkeit, der Wert Sokrates für eine glückliche Gesellschaft haben wir als erstes geopfert. Die Wahrheit und Güte stellen wir auch abnehmend nicht mehr sicher. Das liegt nicht nur am Untergang der Kirchen sondern an fehlenden sozialen Prozessen, und fehlender Governance.
Wir denken zuerst an uns (unsere Gesundheit), dann an unsere Familie, dann vielleicht noch an den Nachbarn, an Freunde usw. Sicher ist es nicht immer so extrem, doch ist unser Bewusstsein geschult auf die Krone der Schöpfung und besonders sich selbst zu achten, weil das ja sonst keiner macht. Wir reden oft über Einheit und haben gesehen, dass wir den Angriff Napoleons wie den heute von Putin nur in Einheit überwinden. Doch Einheit, dafür haben wir Versicherungen, dafür haben wir einen schlafenden Präsidenten und Governance. Im Grunde billige Show. Unwahr. Ungut. Für Unnötiges. Lassen wir das mit der Moral, verweisen wir hier aus das Weltbewusstsein nach Spiral Dynamics (Bild) und kehren wir zum Gespräch zurück.

Wir haben uns darüber ausgetauscht, dass die Digitalisierung die einzige Möglichkeit ist unsere Weltprobleme zu lösen, die mittlerweile von Krisen in Katastrophen kippen. Zur Erinnerung, Katastrophen sind Krisen, die man nicht mehr alleine lösen kann, wo unsere Assimilation, in der wir uns gefangen genommen haben versagt.
Sein kluger Kommentar war:

Digitalisierung entgrenzt. Das zu managen ist weder Aufgabe der einzelnen Teile noch eines CIOs. Es ist einzig die Aufgabe der Systemverantwortung, der Governance, der Betroffenen. Doch diese schläft im gesamten Westen. Das ratlose westliche Institutionenarrangement (Nassehi, 2019).

Mich reizt es persönlich, die unterschiedlichen Ansätze, das unterschiedliche Bewusstsein in den Kontinenten zu verfolgen und voneinander zu lernen. Doch dies hat keinen Anschluss, weil auch hier unsere Governance schläft und wir unsere Einheit in der Abtrennung so verloren haben. Als ich vor 1 Jahr berichtete, dass Japan sich gerade vom westlichen Bewusstsein aufgrund der Digitalisierung zu verabschieden scheint interessierte das, keinen. Keiner reflektiert sich in unserer Show-Gesellschaft, die wir aus den USA übernommen haben selber. Metakognition ist kompliziert, anstrengend und gefährlich. Denn wer Allgemeines in Frage stellt, der irritiert Macht. Und wer Macht irritiert lebt gefährlich. Darüber sang ja Rainhard Mey weise.
Daher benötigen wir entweder eine starke Governance, die stark genug ist sich selber in Frage zu stellen, oder wir brauchen Menschen, die sich dem „Über-Sinn“ einer digitalen Zeit stellen und unsere veralteten Strukturen kritisieren, irritieren, zum Einsturz zu bringen, damit Neues, Sinnvolleres entstehen kann. Vor 2 Jahren schrieben wir, Märtyrer gesucht. Verstehen wir das nun besser?
Wir kennen aus Revolutionen, die destruktiv im Streit zuerst alles zerstören, um anschließend neu zu beginnen. Phoenix aus der Asche, eine verklärende Hoffnung besonders der Menschen, die ihr Heil in passiver Aggressivität suchen.
Dieses Vorgehen kennen wir zu genüge aus den beiden Weltkriegen. Derzeit sehen wir auch in der Ukraine, wie Werte aus dem Mittelalter von Putin hoch gehalten und aufgeklärte Werte und Demokratie angegriffen werden. Dagegen hilft nur Einheit, die nicht aus Zufall hybrid vom Aggressor angegriffen wurde. Aber auch das führt zu weit vom Thema weg.

Gelingen Transformationen immer nur durch Krieg, destruktiv?
Gibt es nicht so etwas wie ein Living System, Living, adapting Organization?
Wir alle kennen Schumpeter und seine Ausführungen zur Desinvestition. Einige kennen auch Tom Peters mit seiner Forderung nach einem Chief Destroying Officer. Aber wer außer Biologen beschäftigt sich mit dem Leben? Erinnern Sie sich an von Bertalanffy? Nein? Sehen Sie, dass ist das Problem. Vor ca. 70 Jahren gab es in der Wissenschaft genau die Diskussionen im Allgemeinen, über die wir heute in unserer Ignoranz gegenüber Wissenschaft im Speziellen immer wieder scheitern. Der sehr empfehlenswerte Film Don´t Look Up! ist eine Situationsbeschreibung anhand einer fiktiven Intervention. Nicht COVID, nicht die Digitalisierung, nicht Putin, nicht das Hochwasser sondern ein Meteorit, der alle bedroht.
Von Bertalanffy war ein Biologe, den wir nach dem Krieg sowie zahlreiche andere Wissenschaftler vor dem Krieg aus Deutschland raus ekelten. Er fragte, die alles entscheidende Frage, die uns die Augen öffnete, dass es mehrere Wahrheiten gibt, mehrere Logiken, die es zur Steuerung der Welt zu beherrschen gilt.

The real act of discovery consists not in finding new lands, but in seeing with new eyes
– Marcel Post

Die tote materielle Welt ist durch die Methoden und Techniken der Physik, der „Newtonschen Welt“ zu verstehen. Doch diese Methoden der Zahlen versagen alle darin das Leben zu erklären. Er stimulierte dadurch nicht nur Biologen, sondern auch Soziologen, die sich mit dem Leben in Gemeinschaft beschäftigten.

Wir berichteten darüber, wie der Wiener Kreis unser Bewusstsein prägte. Ich behaupte, die Mehrzahl unserer Bürger sind noch immer im unterkomplexen Weltverständnis des Wiener Kreises gefangen, obwohl diese Sicht in der Wissenschaft bereits seit 1951 durch den Mathematiker Quine widerlegt wurde. Auch die wohl entscheidendste Entdeckung der Wissenschaft, die Nicht-Lokalität durch Bell verstehen die meisten Menschen nicht, und steuern unsere Geschicke daher jenseits der Realität.

Wenn wir Kriege vermeiden wollen, dann müssen wir mehrere Dinge verstehen, wobei uns die Digitalisierung hilft

  1. Wir sind endlich alles nur Teile eines Universums, einer Erde
  2. Wir sind alle verbunden. Nicht nur in der Welt der Quanten, sondern auch wahrnehmbar durch das digitale (nicht materielle) Internet, die digitale Kommunikation
  3. Lebende, nicht materiell tote Dinge verändern und wandeln sich. China hat dafür ein Weisheitsbuch, das iGing mit einer runden Wahrheit. Wir schauen auf die Wahrheit wie vor Columbus die Menschen auf die Erde. Als lineare Scheibe und verlieren uns im unsinnigen Dualismus der radikalen Polaritäten und Parteien, die in Wahrheit etwas konstruieren, was es gar nicht sinnvoll gibt. Unterkomplexe Lösungen einer hyperkomplexen Welt, die wir abgetrennt niemals verstehen können, aber als Internet-Gesellschaft, verbunden. In fast unendlicher Co-Intelligenz einer unendlich komplexen und dynamischen Welt.
  4. Abgetrenntes Denken in Gegenständen, in Dingen (s. Kant) ist trivial und eröffnet die Wahrheit von abgetrennten Produkten und materiellen Dingen, versagt aber am Wandel
  5. Wandel versteht man nur, wenn man Ursache und Wirkung in kybernetische Zusammenhänge bringt, also allgemein in Wirkungsketten denken kann. Das ist die Domäne der Systemtheorie und die eigentliche Transformationsaufgabe. CIOs haben hier weder Mandat noch Kompetenz, HR-Abteilungen / das Bildungswesen, wenn nicht nur als Cost Center geführt könnten hier sinnvolles beitragen und Krisen, Katastrophen und sogar Kriege so vermeiden.
  6. Ein System kann lernen und umgestalten, weit umfangreicher, als wir das als abgetrennte Menschen können. Hierdurch muss man sich im Kontext der Umwelt, in seiner Adaption auf Reize verstehen. Dafür hat der einzelne Mensch die Funktion der Metakognition im frontalen Cortex. Doch wie haben wir in unseren Systemen, also oberhalb unser selbst Metakognition organisiert?! Nur abgetrennt. „Halt Du sie dumm, ich halt sie arm.“
  7. Das ewige Leben erschließt man nur, wenn man über sich selber hinaus denken kann (s. Tolstoi u.a.). Es besteht aus den drei Grundfunktionen des Lebens Geburt, Bewahrung und (heilsamer) Tod. Indem wir sterben, sterben lassen machen wir erst Platz für Neues. Doch sinnlose Menschen wollen gerne ewig leben, weil sie nichts verstehen.
    Anmerkung: ich berichtete mehrfach darüber, dass das Insight der 4 tägigen CDO Konferenz unter der Digital Master Class genau diese 3 Lebensfunktionen betonte, welches aber auch keinen Anschluss fand, weil unsere Governance auch noch 6 Jahre später schläft. Hier ein Artikel, Feb. 2017: Link
  8. Dinge zu verändern, weil sich die Zeit, die Welt verändert hat macht notwendig, dass veraltete Dinge sterben. Das löst Trauer aus, im Speziellen. Ist aber für das Überleben des Ganzen notwendig. Es macht auch notwendig, dass Neues, welches besser passt geboren wird. Evolution, zufällig durch Mutation oder aber durch bewusste Innovationsarbeit. Die Gedanken von Tom Peters, die den Sinn des Trimurtis bestätigen sind längst im Westen vergessen. Genauso wie das Buch von Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel
  9. Die Bewahrung ist die Gegenkraft zur Innovation. Daher entwickelte Kurt Lewin, auch ein aus Deutschland von den Nazis vertriebener Spitzenwissenschaftler eine Phasenmodel für die Veränderung, das Change Management: Die Bewahrung wird aufgehoben (Unfreeze), die Änderung am System vorgenommen (Intervention) und das System wieder stabilisiert (Freeze). Heutige Change Management Modelle folgen diesem Ansatz und haben verfeinert. Bei ROMI ändern wir z.B. nicht das komplexe Gesamtsystem, sondern dem Primat der Aufgabe folgend (sinnvollste Differenzierung einer Organisation im Change). Wenn Organisationen, Systeme als Summe ihrer Aufgabe beschrieben werden können, dann lassen sich Systeme über Transformationen ihrer Aufgaben ändern. Das macht man am besten auf der Basis von Standards, damit die Einheit nicht gefährdet wird. Die 4 systemischen Ps haben wir hier wiederholt beschrieben. Platform (Technik), Process (Organisation), People (Mensch) und eine gemanagte Öffnung des Systems (Partner)

Fazit: Systeme müssen nicht destruktiv im Kriege untergehen, sondern können transformiert werden. Dies gelingt am besten durch eine ständige Transformationsaufgabe, die man als Funktion ohne Eigeninteressen (s. Stützfunktion) organisiert. Diese Funktion erkennt neuen Purpose (Adaptionsnotwendigkeit des Systems ähnlich den Arbeiten von Piaget). Das Warum jeder Transformation. Das Erkennen neuer Chancen und Risiken ist das Warum, welches den Lernprozess aktiviert. Wie funktioniert, wirkt der Purpose kybernetisch (Ursache-Wirkungsketten), wie wirkt er in der Tiefe (Experten), wie in der Breite (General Leader), wie in der Wirkung (Kunden, Organisationskosten)?
Vesters erinnerte uns an die notwendige Intelligenz, mit der wir das Leben erkennen mit Hinweis auf Maruyama in den 60ern. Tiefe, Breite und Relevanz. Durch die Abtrennung haben wir die Welt in der Tiefe erschlossen, aber wir haben das Warum und den Zusammenhang verloren. Und nun kommt das Geschenk der Verbindung durch die Digitalisierung. Wann nehmen wir dieses Geschenk durch wen, wie an und was machen wir daraus?

ROMI hilft

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