Struktur im Zeitalter der Liquid Democracy

Zwischen Flexibilität und Stabilität

In der aktuellen Debatte um Digitalisierung und Demokratisierung wird häufig die These vertreten, dass traditionelle soziale Strukturen durch neue, flexible Formen der Mitbestimmung wie Liquid Democracy obsolet würden.

Diese Sichtweise suggeriert, dass die technologische Entwicklung die Notwendigkeit fester Institutionen und Organisationen verringert und stattdessen eine reine, dynamische „Liquidität“ des Gemeinwesens ermöglicht.

Doch diese Annahme ist eine gefährliche ideologische Vereinfachung, welche die zentrale Rolle stabiler Strukturen im sozialen Gefüge unterschätzt.
Im Gegenteil: Ein tieferes Verständnis zeigt, dass Strukturen und individuelle Freiheit keine Gegensätze sind, sondern sich wechselseitig bedingen und nur im ausgewogenen Verhältnis ihre volle Wirkkraft entfalten können.

A. Die Gefahr einer einseitigen Betonung von Liquidität

Die gegenwärtige Kultur, die das radikale Vertrauen in digitale Selbstbestimmung fördert, ist nicht frei von Risiken. Es zeigt sich, dass die Radikalisierung bestimmter politischer Lager, die auf strikte Regeln und Objektivismus setzen, nur die Kehrseite einer vereinfachten Sicht auf Freiheit ist.

Diese Gruppen fordern harte, unumstößliche Regeln, um gesellschaftliche Ordnung durch Zwang zu sichern.

Dabei wird die komplexe Vielfalt menschlichen Lebens auf einfache Prinzipien reduziert, was letztlich zu autoritären Strukturen führen kann und wird (Lehre aus der Geschichte, Gramsci Muster).

Die Gefahr liegt darin, dass durch die Verdrängung der sozialen und kulturellen Komplexität das Verständnis für die Bedeutung vielfältiger, dynamischer Strukturen verloren geht.

Die Balance zwischen Struktur und Freiheit

Der Schlüssel liegt in einem ausgewogenen Verständnis: "Die Organisationen und Gesellschaften von morgen sind keine statischen Gebilde, sondern dynamische Systeme, die durch flexible, adaptive Strukturen gekennzeichnet sind. Kurz es geht um die Struktur der Plastizität, also dynamisierten Strukturen, die sich wandeln, wie z.B. im Film Transformer.

Ohne stabile Rahmenbedingungen droht das soziale Gefüge zu zerfasern (fehlende Ordnung, fehlende Struktur), während zu starre Strukturen die Innovationsfähigkeit und individuelle Freiheit einschränken.

Die Wahrheit liegt im Mittelweg: Strukturen dienen als Rahmen, innerhalb dessen individuelle und kollektive Handlungen möglich sind. Sie sind das Gerüst, das Stabilität schafft, aber zugleich Raum für kreative und adaptive Prozesse lässt, die Lernen.

Wie man die Plastizität von Struktur und Handlung eines Systems bzw. einer Gesellschaft grundsätzlich steuert, stellte ich mehrfach vor. In der FUTUR III Masterclass ist das folgende Modell in Anlehnung an Giddens ein zentraler Baustein, genauso wie in der Phase 4 der Transformation in, mit und durch Struktur und Handlung.

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B. Digitalisierung als Katalysator für dynamische Strukturen

Die Digitalisierung bietet die Chance und das Risiko, diese Balance neu zu gestalten, gestalten zu müssen.

Sie ermöglicht es, organisatorische Strukturen zu dynamisieren, sie anpassungsfähig und lernfähig zu machen. Digitale Plattformen, intelligente Netzwerke und Datenanalysen helfen, Organisationen nicht nur zu steuern, sondern kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Durch die Integration digitaler Werkzeuge kann die soziale Organisation vom starren Wissensmanagement hin zu einem plastischen Bewusstseinsmanagement transformiert werden: Ein System, das nicht nur Wissen speichert, sondern aktiv das Bewusstsein seiner Mitglieder schärft, Lernprozesse fördert und kollektive Gestaltungsfähigkeit erhöht.

C. Empfehlungen für die Organisationsleitung im digitalen Zeitalter

Um die Plastizität und Resilienz ihrer Organisationen zu erhöhen, sollten Führungskräfte künftig folgende strategische Prinzipien beherzigen:

  1. Aufbau eines sozialen Lern- und Gestaltungsraums: Schaffen Sie Plattformen, die kollektives Lernen fördern, Reflexion ermöglichen und die Entwicklung eines gemeinsamen Bewusstseins unterstützen (wie es die Theorie des sozialen Lernens und der Bewusstseinsgestaltung empfiehlt).

  2. Integration digitaler Tools für dynamische Strukturen: Nutzen Sie agile Methoden, digitale Kommunikation und flexible Arbeitsmodelle, um Organisationen lernfähig und anpassungsfähig zu machen. Setzen sie auf Organisationsentwicklung als Funktion anstatt nur auf externe Beratung.

  3. Förderung eines plastischen Bewusstseins: Entwickeln Sie eine Kultur, in der Wissen nicht nur statisch verwaltet, sondern aktiv umgestaltet wird. Das Ziel ist eine kontinuierliche Bewusstseinsentwicklung, die individuelle Freiheit mit sozialer Verantwortung verbindet.

  4. Bewusstsein orientiertes Wissensmanagement: Verabschieden Sie sich von starren Hierarchien und statischen Datenbanken zugunsten eines dynamischen, lernorientierten Bewusstseinsmanagements, das die kollektive Intelligenz stärkt.

D. Fazit

Die Zukunft sozialer Organisationen liegt in der Balance zwischen festen Strukturen und flexiblen Handlungsspielräumen. Digitalisierung ist kein Ersatz für soziale Strukturen, sondern ein Werkzeug, sie zu transformieren und plastisch zu dynamisieren. Es ist die Aufgabe der Führungskräfte, das Bewusstsein ihrer Organisationen durch soziale Lern- und Gestaltungsprozesse zu fördern und so eine resilientere, innovative und verantwortungsbewusste Gemeinschaft zu entwickeln. Nur so kann die Gesellschaft den Herausforderungen des digitalen Zeitalters gerecht werden, ohne in vereinfachte Ideologien zu verfallen.

Wer bereits die FUTUR III Funktion zur ständigen Transformation = Wandel nutzt, der kann entspannt in die Zukunft blicken.
Die Anforderungen unter C habe ich als Pionier in der systemischen Organisationsentwicklung und Auditor bereits ab 2015 mit erheblichen finanziellen und geistigen Mitteln in einen Prozess für Sprunginnovationen jenseits der schrittweisen Optimierung gebracht.
Durch meine Krebserkrankung erkannte ich erst, dass diese Funktion auch für Patienten, Paare, Familien universell eingesetzt werden kann, um falsches bzw. fehlendes Verhalten und Strukturen zu erkennen, das Bewusstsein durch Analyse und Ideen anzupassen (Lernen, Akkomodation) und endlich zu transformieren. Der Erfolg als Organisationsentwickler und sich selbst heilender Patient gibt mir Recht.

Doch es geht mir als Buddhist nicht um mein Ego, gegen das ich täglich und mit vollem Bewusstsein ankämpfe. Mir geht es um Vermeidung von sozialem Unsinn über Pleiten, Pech und Pannen bis zum Krieg.

Soziale Strukturen betreffen uns alle. Das Zeitalter, dass andere ohne die Betroffenen diese mit Gewalt anpassen ist durch die Digitalisierung unsinnig geworden.
Wir brauchen keine liquid Democracy, wir brauchen eine Revitalisierung des Genossenschafts- und Demokratie-Gedankens, welcher die Macht auf die Betroffenen gerecht verteilt. Das ist durch die Digitalisierung möglich geworden, zu Lasten zentraler Macht, so wie das Prof. Kruse vor seinem überraschenden Tod in wenigen Minuten auf den Punkt brachte. Auch Macht ist durch die Digitalisierung plastisch geworden, auch wenn sie das selbst zutiefst erschüttert. Kluge CEOs und besonders Interim Manager wissen daraus zu schöpfen.

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