ROMI-These im Fall Rebecca Reusch

Arbeitsthese im Fall Rebecca Reusch – warum der Sonntag zählt

Die vielen Gesichter von Rebecca Reusch (Quelle: Pacific Press Agency/ Instagram/Facebook/t-online/imago-images-bilder)

Ich schreibe dies mit der Sorgfalt eines Ermittlers und der Demut eines Autors. Was folgt, wäre eine Hypothese. Sie würde so lange gelten, bis unabhängige, neutrale Belege sie widerlegen. Ich behaupte nichts als Tatsache; ich skizziere eine nachvollziehbare Möglichkeit und lade Ermittler wie Leser ein, sie an harten Fakten zu prüfen.

Ich würde den Blick vom bequemen „Montagmorgen“ wegdrehen. Wenn es stimmt, dass es nach dem Wochenende keine außerfamiliär bestätigte, lebende Sichtung von Rebecca gibt, könnte der entscheidende Einschnitt früher gelegen haben: am 16./17. Februar 2019. In dieser Lesart wäre der Montag nicht die Stunde der Tat, sondern die Stunde der Konsequenz.

Was steht – nüchtern und belastbar?
Rebeccas Smartphone sei am 18.02. um 07:46 Uhr zuletzt im WLAN der Wohnung der Schwester registriert worden; eine um 08:42 Uhr gesendete WhatsApp der Mutter könnte zugestellt, aber nie gelesen worden sein. Das würde Geräte-, nicht Personenpräsenz belegen. Parallel hätten die Berliner Ermittlungsbehörden über Jahre die Leitplanke gesetzt, es bestünden keine Anhaltspunkte, dass Rebecca das Haus lebend verlassen habe. Und: Der himbeerfarbene Renault Twingo aus dem Umfeld des Schwagers wurde per automatischer Kennzeichenerfassung (KESY) auf der A12 Richtung Frankfurt (Oder)/Polen zweimal erfasst – am 18.02. vormittags und am 19.02. abends. Öffentlich kolportierte Bus-/Straßensichtungen am 18. seien nicht belastbar bestätigt worden. Das sind keine Gefühle. Das sind Fixpunkte, die das Spielfeld abstecken.

Warum der Sonntag zählt.
Nimmt man diese Fixpunkte ernst, würde der Sonntag, 17.02., zum blinden Fleck – und damit zum eigentlichen Arbeitsauftrag. Der letzte unabhängige Blick auf Rebecca dürfte in den Fallanalysen auf den 16. Februar fallen (soziale Interaktionen im Freundeskreis, außerhalb der Familie). Ab dem Moment, in dem Rebecca die Türschwelle zur Wohnung in Berlin-Britz überschritt, stammen alle Angaben zu ihrem Verbleib ausschließlich aus dem familiären Umfeld. Nach heutigem, öffentlichem Kenntnisstand gibt es keinen neutralen, lebenden Augenschein nach dem Wochenende.

Genau darin könnte die Möglichkeit liegen, dass das irreversible Ereignis bereits am Samstag Abend oder Sonntag geschah: Unfall, Eskalation im Privaten oder ein kriminalistisch denkbarer Kontext – benennbar als Möglichkeit, nicht bewiesen. Das Motiv, das ich ansetze, wäre existenzielle Angst: nicht Planung eines Mordes, sondern die Furcht vor den Konsequenzen eines unvorhergesehenen, fatalen Geschehens. In einer solchen Lage würde eine Familie instinktiv auf Schadensbegrenzung schalten: Narrativ stabilisieren, Zeit gewinnen, Distanz schaffen – ein reflexartiger „ROMI“-Impuls.

So könnte der Ablauf ausgesehen haben – klar, knapp, prüfbar:
Am Samstag / Sonntag könnte es zum irreparablen Geschehen gekommen sein. Die Nacht hätte Raum für Absprachen und Vorbereitung gegeben. Der Montag würde danach zur Bühne: ein im WLAN „hängendes“ Telefon um 07:46, eine ungelesene Nachricht um 08:42keine lebende Interaktion, nur das Echo einer Abwesenheit. Falls überhaupt eine digitale Inszenierung stattfand, läge ihr Slot vor 07:46 (forensisch nur über Server- und Router-Metadaten belastbar prüfbar).

Kurz darauf könnte es eine kurze Fahrzeugbewegung im Wohnumfeld gegeben haben – die exakten Minuten sind strittig, das Vorhandensein eines Fahrfensters erscheint plausibel. Die A12-Erfassung am 18.02. wirkte dann wie ein Entlastungsschritt („weg aus der Stadt“), die zweite am 19.02. wie Kontrolle/Konsolidierung („liegt dort, wo Zugang und Vertrautheit bestehen“). Das würde Logistik , nicht Leben sprechen.

Gegenwart, die die Geometrie stützt.
Im Oktober 2025 hätten Ermittler erneut – mit Hunden, Drohnen, Bodenradar, Baggern – auf Liegenschaften mit familiärem Bezug in Tauche/Herzberg (Oder-Spree) gesucht. Spuren seien gesichert worden, Auswertungen dauerten an. Das beweist keine Mittäterschaft weiterer Angehöriger – es priorisiert einen Suchraum: familiär erreichbar, logistisch plausibel, landschaftlich geduldig. Genau dort würde man suchen, wenn die A12 in dieser Geschichte nicht die Uhr, sondern die Spätfolge-Achse ist.

Zum „familiären Blindspot“.
Ich würde ihn nicht als fertige Schuldzuschreibung, sondern als Prüfraum verstehen. Mitwissen könnte sich in Absprachen verfestigt haben – aus Loyalität, nicht zwingend aus aktiver Tatbeteiligung. Dass Angehörige öffentlich loyal sind, wäre menschlich; dass Aussagen an technischen Fixpunkten reiben, wäre ein kriminalistischer Prüfhinweis, kein Urteil. Wer behauptet, alles sei am Montagmorgen geschehen, müsste zuerst zeigen, wer Rebecca nach dem Wochenende außerhalb der Familie lebend gesehen hat – wann, wo, wie. Solange dieser Beleg fehlt, müsste die frühere Tatzeit als gültige Möglichkeit stehenbleiben.

Was folgt operativ – ohne Spektakel, mit Präzision:
Server-/App-Metadaten 06:45–08:45 (z. B. Snapchat/WhatsApp) könnten exakte Sendezeiten, Geräte-Fingerprints und Login-IPs liefern – und zeigen, ob vor 07:46 jemand anderes vom Gerät aus agierte.
Router-/IoT-Protokolle des Hauses (DHCP-Leases, ARP, Syslog) würden die Präsenzkurve des Telefons bis 07:46 präzisieren (Gerät ≠ Person).
Eine Synchronisierung der KESY-Treffer mit weiteren Kameras könnte das Fahrfenster sekundengenau schneiden und Wegkorridore verengen.
Geografisch müssten 10–25-Minuten-Zonen ab A12-Abfahrten Richtung Oder-Spree priorisiert werden – bevorzugt dort, wo familiärer Zugang realistisch gewesen sein könnte.

Und wenn Florian nicht der Täter war?

Ich würde die Tür bewusst offenlassen für eine Variante, die oft ignoriert wird, aber kriminalistisch denkbar ist: Was, wenn Florian R. nicht derjenige war, der Rebecca tötete, sondern – in Absprache – derjenige, der die Leiche verschwinden ließ? In dieser Lesart könnte sein vehementes Beharren, „es nicht getan zu haben“, wörtlich stimmen – und gleichzeitig könnte es wahr sein, dass er an der Vertuschung beteiligt war. Das würde das Inschutznehmen durch die Familie erklären: Loyalität nicht nur zu ihm, sondern Selbstschutz für den gesamten Verbund.

Das Motiv läge dann nicht in einem geplanten Gewaltdelikt, sondern in einem Ereignis, das sich im inneren Kreis zugetragen haben könnte und dessen Offenlegung aus Sicht der Beteiligten existenzielle Folgen gehabt hätte: ein Drogenunfall, eine sexualisierte Situation mit tragischem Ausgang, ein anderer Unfall, der sich – so die Befürchtung – ohne schwerwiegende Konsequenzen nicht erklären ließe. In einem solchen Szenario könnte die Familie geschlossen auf Schadensbegrenzung umgeschaltet haben: Einer übernimmt die Logistik (Fahrten, Verbringung), andere halten dicht, stimmen Aussagen ab, minimieren Einblicke nach außen. Der Satz „Ich war’s nicht“ wäre dann kein Freispruch, sondern die Beschreibung einer Rollenverteilung: nicht Täter, aber Verberger.

Operativ hieße das für die Bewertung der Indizien: Die A12-Fahrten könnten weiterhin als Verbringungs- und Kontrollakte gelesen werden, ohne dass sie den Tatimpuls selbst beweisen. Das Schweigen im familiären Umfeld würde in diesem Modell nicht nur Loyalität zu Florian, sondern Selbstschutz gegenüber einer Mitwisserschafterklären. Genau deshalb müsste dieser Pfad – wer wusste was, wann, und wer hatte welche Rolle in der Nachphasegleichberechtigt geprüft werden, ohne aus der Vertuschungslogik automatisch auf die Täterschaft einer einzelnen Person zu schließen.

Kurz: Es könnte so gewesen sein, dass nicht die Tat, sondern das Nachspiel familiär organisiert war – und dass das Inschutznehmen deshalb so entschlossen wirkt, weil ein Bruch der Front mehrere Menschen in den Abgrund reißen könnte. Genau deswegen müsste die Frage nach der Rolle hinter die Frage nach der Schuld treten: Wer hat was getan – vor und nach dem Punkt, an dem die Geschichte kippte?

Mein Kernsatz – im Konjunktiv, mit offenem Visier:
Es könnte so gewesen sein, dass nicht die Tat, sondern das Nachspiel familiär organisiert war — und dass das In-Schutz-Nehmen deshalb so entschlossen wirkt, weil ein Bruch der Front mehrere Menschen exponieren könnte. Rollenklärung vor Schuldzuschreibung: wer tat wasvor und nach dem Kipp-Moment? Der Montag war dann nur noch Bühne; weil ein Telefon kein Leben belegt, sondern Kulisse gewesen sein könnte; dass ein Auto nicht den Anfang, sondern das Nachspiel fuhr; und dass Loyalität ein Haus zusammenhielt, in dem die Wahrheit bereits fort gewesen sein könnte. Solange niemand von außen den Samstag/Sonntag mit einem sicheren, belegten Blick erhellt, müsste diese Möglichkeit gelten – bis sie an Fakten scheitert.

Das ist keine Anklage. Das ist mein Prüfrahmen. Wer ihn widerlegen kann, sollte es tun – mit Zeit, Ort, Person, Beleg. Bis dahin arbeite ich dort weiter, wo Geschichten enden und Protokolle anfangen.

Hinweis: Dieser Text ist eine im Konjunktiv formulierte Arbeitshypothese. Er ersetzt weder Aktenkenntnis noch Beweisführung und erhebt keine Tatsachenbehauptung zur Schuld einzelner Personen.