Minimalismus - ein Gewinn an Zeit

Minimalismus - ein Gewinn an Zeit
Von Markus Peinecke

Seit Jahren herrscht da dieses eine Problem, das mein Leben bestimmt hat und mich auch in Teilen gebremst hat. Zeit! Der tatsächlich größte Gegner, der volle Aufmerksamkeit verlangt und viel Planung. Familie, Arbeit, Projekte, Essen, Hygiene, Freunde, Social Media, Fernsehen, Lesen und noch viele weitere Punkte bestimmen unser Zeit Level. Wir planen, setzen Strategien auf und versuchen durch multifunktionale Herangehensweise Zeit zu sparen. Immer auf der Suche nach Zeit für uns selbst.
Wir haben das Privileg als Menschen unsere Zeit zu messen. Fluch und Segen zugleich in einer erwartungsvollen Gesellschaft wie wir sie heute vorfinden.
Wir automatisieren Prozesse und hoffen auf Erleichterung, doch da ist dieser eine Gegenspieler. Und der achtet darauf, dass wir mit gesparter Zeit nur noch mehr erledigen möchten. Worin liegt also der Fehler? Wir bauen auf Entwicklungen, die uns das Leben vereinfachen und dennoch machen wir keinen Gewinn an Zeit.

Ich nehme Sie mit auf meine persönliche Reise. Eine von der ich behaupte, sie hat alles für mich verändert. Zeit ist nun mein Freund, ein Geschenk für jeden der sie zu schätzen weiß.

Die Jagd nach der Zeit
Alles begann im März 2020. Mein Hauptjob nimmt 240 Arbeitsstunden pro Monat in Anspruch, hinzu kamen noch mehrere Social Media Profile, die ich mit Bildern und Content versorgt habe wie auch die Kommunikation der Kanäle. Unzählige Gruppen verschiedener Anbieter für die Kommunikation untereinander (600+ Nachrichten pro Tag), Telefonate und Skype Meetings. Dazu meine Frau und meine beiden wundervollen Töchtern, denen ich ebenfalls gerecht werden wollte. Und eine heimtückische Krankheit, die von heute auf morgen unser aller Leben auf den Kopf stellte, die ständige Bereitschaft erfordert, sowie mein Wunsch nach dem Erlangen von Wissen darüber, das ich mir aneignete während alle anderen friedlich schliefen. Ich konnte nur Zeit gewinnen, wenn ich auf meinen eigenen Schlaf verzichtete und ihn reduzierte. Ich bin kein Mensch der viel Schlaf benötigt, aber alles hinterlässt irgendwann und irgendwie seine Spuren wenn man ehrlich ist. Leistung ist die größte Stärke, die wir im Rennen um Zeit aufbringen und auch benötigen. Aber diese kostet uns auch Zeit und das mehr als wir gewinnen.

Ich habe mich jeden Tag gefragt wie ich Zeit gewinne, statt mich nur einmal zu fragen wobei ich sie verliere!

Ich sah jeden Tag etwas genauer hin und notierte mir alle Tätigkeiten um sie zu organisieren, jedoch vergaß ich in dieser Rechnung etwas Wesentliches: Meine Zeit, die ich beim Scrollen von Bildern, Berichten, Nachrichten und für das Interagieren nutzte. Umgeben von einer völlig distanzierten Gesellschaft, die Emotionen durch Likes oder Emojis ausdrückt.

Ein Schauplatz eines Krieges mit unzähligen Meinungen und Wörtern, erfüllt von Hass und Verachtung für andere, oder besser gesagt füreinander. Außerdem gibt es da noch diesen Algorithmus für personalisierte Werbung. Ein interessantes Instrument, denn ich konnte fast täglich meine Interessen wandern sehen. Alles haben, testen, versuchen! Ehrlich? Genau da habe ich mitgemacht.

Es gab so vieles zu entdecken und mein ständiges Interesse etwas zu lernen hat mich beflügelt, dieser Werbung Beachtung zu schenken. Ich hatte soviel Geräte, Bücher und noch andere Sachen angehäuft, ohne einen tatsächlich dauerhaften Nutzen davon zu ziehen. Je mehr mir dieses bewusst wurde, desto mehr sah ich meinen eigenen Fokus wackeln.

Meine Gedanken wanderten den ganzen Tag und ich fragte mich, was ich verändern könnte und zwar dauerhaft!

Am Ende entschied ich mich für einen Weg der mir die Zeit gab, diesen Ballast zu ordnen und zu hinterfragen. Ich entschloss mich, alle drei Tage etwas zu entsorgen von dem ich der Meinung bin, dass es keinen Nutzen für den täglichen Gebrauch hat. Ob nun Kommunikation oder angehäufte Gegenstände zuhause, jetzt wurde geordnet!

Als ich anfing zuhause Gegenstände zu entsorgen, führte dies natürlich, wie erwartet auch zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Geschlechtern. Jedoch hielt dies nicht lang, denn weniger überladene Schränke verschafften den Vorteil von mehr Übersicht und sorgte für eine einfachere Reinigung. Wir hatten Tupperware ohne Ende, obwohl ständig nur die gleichen drei Schüsseln benutzt wurden. Und so zog sich das durch alle Schränke und alle Gegenstände.

Besser haben als brauchen?

Wofür? Wenn es nicht gebraucht wird, muss ich es auch nicht haben!
Und so wurden unsere Räume leerer, aber Orte strahlen durch ihre glänzende Ruhe eben am schönsten! Super Gefühl, aber erst 15% von allem was möglich war. Jetzt ging es um die großen Dinge, um Kommunikation und Dienste im Internet. Unvorstellbar, aber ohne das Internet würden wohl die meisten Projekte gar keine Chance erhalten, Menschen zu finden und eine weltweite Kommunikation nur schwer ermöglichen lassen. Das Internet und die Kommunikation in Echtzeit-Geschwindigkeit, weltweit, sind eine der besten Erfindungen der Menschheit.
Soviel positives Potenzial, aber zu gering genutzt. Eine freie Plattform zu schaffen für jeden, ganz ohne Zensur war der Ausgangspunkt. Nun endlich konnte jeder zeigen, wer er sein wollte.

Faszinierend! Aber ganz im Ernst, was wir Menschen hier geschaffen haben, kostet uns Zeit, raubt uns Emotionen und kann andere Menschen in Sekunden zutiefst verletzen. Weil wir es nicht nutzen wie es sinnvoll wäre, sondern weil wir uns mitteilen wollen. Wir wollen interagieren! Eine weltweite Bühne, gefüllt mit personalisierter Werbung in jeder Scroll Bewegung und Betrachtungsdauer verschiedener Bilder.

Ich habe in meiner Zeit sehr viel Social Media erlebt durch die Betreuung von Projekten anderer. Hier habe ich viele gute Menschen kennengelernt, aber auch gesehen was das Internet aus ihnen und anderen machte. Es war zugleich ein Tiefpunkt in meinem Glauben an eine ehrliche mediale Berichterstattung. Diese Leute kämpfen für ihre Projekte und ich wünsche ihnen stets Erfolg. Aber ich musste auch hier aussortieren. Ich bin absolut kein Egoist und wer mich kennt wird das auch bestätigen, aber es ging um meine Zeit und ich hatte genug geopfert für die Vorhaben anderer. Denn für alles was ich aussortierte, musste ich mir lediglich nur eine Frage stellen: Welchen Mehrwert hat dies in meinem Leben? Man kommt an dem Punkt an dem man versteht, wie Marketing wirkt und man in dieser Blase schon zu lange gefangen ist. Nicht nur weil man heute Dinge innerhalb von 24 Stunden liefern lassen kann, sondern weil man sich und seinen öffentlichen Auftritt ebenfalls vermarktet.

Wir teilen unser Leben mit Freunden, Familie und Vorgesetzten und daraus resultiert das Ergebnis einer gewissen Strategie für das eigene Profil. Was der Familie gefällt, kann für Vorgesetzte oft ein anderes Bild sein und umgekehrt. Wir passen Bilder oder Texte an, kurz gesagt, wir passen uns an.

Heutige Lieferzeiten für Artikel betragen 24 Stunden oder weniger. Psychologisch wird hier ein gezielter Ansatz genutzt. Werbung zeigt uns was wir brauchen, schon faszinierend genug, dass wir ohne Werbung gar nicht danach gesucht hätten, aber es wirkt.

Wir haben vergessen, wie wichtig ein Leben und eine eigene Identität abseits von Marken ist, ein Leben in Gemeinschaft.

Was eine Gesellschaft sicher und lebenswert macht, ist der Sinn der Gemeinschaft. Minimalismus ist nur erfolgreich wenn wir ihn nicht auf Gegenstände, sondern auch auf alle Tätigkeiten anwenden die unseren Alltag betreffen. Aufhören News hinterher zu jagen, aufhören Profilen zu folgen die ihre Art des Marketings nutzen. Wir müssen anfangen zu leben statt ein Bild zu betrachten, allein, auf einem Bildschirm. 99% der Bilder die wir sehen sind bearbeitet. Ist die Natur nicht schön? Warum verändern wir dann auf Bildern ihre Farben, die der Haut und allem anderen. Schweift unser Blick vom Bildschirm erkennen wir die Umwelt nur noch grau und blass. Das führt uns wieder zur Abhängigkeit, die Schönheit vor einem Bildschirm zu suchen. Und welchen Mehrwert bietet es uns, unsere Zeit in diese Betrachtungen zu stecken?

Ich bin müde mir unzählige Meinungen durchzulesen, der Hass und die Wut, die daraus resultiert.

Diese unzähligen Anfeindungen, weil Geschriebenes je nach emotionaler Lage anders vom Leser aufgefasst wird als es vom Verfasser geschrieben wurde. Wir müssen aufhören, Emotionen in Smileys zu suchen, in Gefällt-mir-Angaben oder auf Bildern, die nicht der Natur entsprechen. Wie aber sollte man diese Ziele angehen?

Minimalismus – weniger ist oft mehr
Reduzieren Sie Ihre Vorhaben auf zwei festgelegte Tage in der Woche. Nichts benötigt eine tägliche Kommunikation. Strategien können über die Woche von jedem einzelnen erarbeitet werden und in den zwei Tagen der Kommunikation vorgestellt und besprochen werden.

Social Media: Beschränken Sie sich auf einen einzigen persönlichen Account und bleiben Sie natürlich in Ihren Bildern. Vernetzen Sie sich mit Ihrer Familie und engen Freunden und überlassen Sie die anderen sich selbst. So müssen Sie kein Marketing für ein eigens Profil entstehen lassen und fühlen sich nicht dem Zwang ausgesetzt sich zu präsentieren.

Entfernen sie alle drei Tage, zwei Dinge aus Ihrem Haushalt. Nehmen Sie jeden Gegenstand in die Hand und denken bewusst darüber nach, welchen Mehrwert er für Ihr Leben bedeutet.

Ziel einer Marketing Industrie ist es, dank Lieferzeiten von nur 24 Stunden, einen Kauf zu tätigen bevor wir eine Entscheidung über den Nutzen treffen.

Wenn Sie etwas möchten, dann notieren Sie dies, aber geben Sie sich selbst eine Woche Bedenkzeit ob Sie diesen Artikel wirklich benötigen und welchen Mehrwert er für Sie bietet.

Vergessen Sie nicht, Zeit ist alles was wir haben, je mehr wir sie nutzen, die Meinung anderer zu verstehen, oder für Geräte die Wartung, Pflege und Strom benötigen. Geräte, die uns in Handlungen verwickeln und Aufmerksamkeit benötigen, damit sie immer voll geladen sind. Spüren Sie diesen Druck in meinen Zeilen?

Was ich Ihnen schenken möchte ist Zeit, Zeit für sich selbst. Denn der tatsächliche Mehrwert findet sich in den echten Emotionen innerhalb der Gesellschaft. Nutzen Sie die technischen Feinheiten zur Kommunikation, aber nicht zur Diskussion, zu Ihrem Verständnis, aber nicht für Ihre Bildung. Sehen Sie sich Ihre Umwelt an, sie ist natürlich und schön auch ganz ohne Filter. Seien Sie keine Werbung auf dieser Bühne.

Seien Sie ganz einfach - Seien Sie, Sie selbst!

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Wirklich ein Interessantes Thema, welches vor allem dazu anregt mal seine eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen, bzw. überhaupt mal bewusst wahr zu nehmen.

Es ist schon einigermassen bedenklich, das man sich ständig im Internet, namentlich den Social Media bewegt, ohne überhaupt etwas zu „suchen“. Sprich Grundlos. So scrollt man sich durch den halben Tag … Ich glaube das ist die Angewohnheit, die auch die Sucht ausmacht, die dahinter steht.

Dahinter steckt auch Social Engineering, das es wohl bis zur Perfektion geschafft hat heutzutage. Zumindest funktioniert es.

Die Frage die man sich stellen muss ist, wie wirkt sich diese Soziale Manipulation aus, auf das echte soziale Zusammenleben, auf Freundschaften und auf die Erziehung vor allem.

Danke @markus für diesen inspirierenden ersten Artikel.

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Es wäre sicher interessant mal zu überlegen, welchen Einfluss es hat auf das soziale Umfeld, Freunde, Bekannte, Familie, wenn man der einzige ist, der bisschen Richtung Minimalismus unterwegs ist.

Verliert man bisschen den Anschluss? Oder im Gegeneteil, inspiriert das dann viel mehr Leute zum Mitmachen? Oder wird man ausgegrenzt, weil man nicht „up2date“ ist irgendwann?

Klar, man muss sich auch disziplinieren soviel an Information zu konsumieren, was man benötigt. Aber was soll dafür der Massstab sein? Wie erkennt man die richtige „Dosis“ und vor allem woher bezieht man Informationen?

Wenn man weniger informationen konsumiert, sollte man sicher sein, dass es jetzt nicht unbedingt nur die sog. FakeNews sind :slight_smile:

Was das Materielle angeht, bin ich auch ganz bei dir @markus. Am besten man organsiert es direkt so, das Dinge von denen man sich trennt in Hände gelangen, die es grad dringend benötige.

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