Booster-Effekt und Radikalisierung: Das Zusammenspiel von Politik, Behörden und Medien bei der Entstehung gewaltbereiter Gruppen am Beispiel der Reichsbürger

Booster-Effekt und Radikalisierung: Das Zusammenspiel von Politik, Behörden und Medien bei der Entstehung gewaltbereiter Gruppen am Beispiel der Reichsbürger

In den letzten Jahren hat die Reichsbürgerbewegung in Deutschland zunehmend für Schlagzeilen gesorgt – leider oft im Zusammenhang mit Gewalt und Konfrontationen mit dem Rechtsstaat. Diese Bewegung, die die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland verneint und ein Deutschland in den Grenzen von 1937 propagiert, hat sich nicht nur ideologisch radikalisiert, sondern zeigt auch eine besorgniserregende Tendenz zur Gewaltbereitschaft.

Zwei Ereignisse werfen ein grelles Licht auf die akuten Risiken, die von dieser Gruppierung ausgehen können: Im Jahr 2016 kam es in Georgensgmünd, Bayern, zu einer tragischen Konfrontation, bei der ein Reichsbürger auf Polizeibeamte schoss, einen tödlich verletzte und damit die Gefahr, die von radikalisierten Mitgliedern dieser Bewegung ausgeht, drastisch verdeutlichte. Nicht minder alarmierend ist der Fall aus dem Jahr 2022 in Boxberg, Baden-Württemberg, wo bei einer Razzia ein Reichsbürger das Feuer auf ein SEK eröffnete und einen Beamten schwer verletzte. Dieses Ereignis mündete in eine langjährige Haftstrafe, unterstreicht jedoch die fortbestehende und möglicherweise zunehmende Radikalisierung und Gewaltbereitschaft innerhalb der Szene.

Diese gewalttätigen Auseinandersetzungen sind nicht nur Zeichen einer tiefgreifenden Ablehnung staatlicher Autorität und eines gefährlichen Extremismus, sondern auch Hinweise auf das sogenannte Booster-Phänomen. Dieses beschreibt, wie durch gesellschaftliche, politische und mediale Einflüsse eine Eskalation solcher Konflikte nicht nur begünstigt, sondern möglicherweise sogar beschleunigt wird. Die Frage, die sich daraus ergibt, ist entscheidend und komplex: Wie können wir als Gesellschaft frühe Warnzeichen erkennen und präventiv handeln, um solche Eskalationen zu verhindern und die Sicherheit aller zu gewährleisten?

Offenbarte eine Razzia in Baden-Württemberg im März dieses Jahres möglicherweise dunkle Umtriebe der Reichsbürgerbewegung? Als die Polizei das Anwesen eines mutmaßlichen Reichsbürgers in Aldingen durchsuchte, kamen Hunderte von Schusswaffen und Munition zum Vorschein. Zwar mag er ein Waffenhändler sein, doch ist dies ein alarmierendes Zeichen, das verdeutlicht, wie tief die Wurzeln des Misstrauens und der Ablehnung gegenüber dem Staat in Teilen unserer Gesellschaft verankert sein könnten.

Die Reichsbürgerbewegung, die die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland bestreitet, ist kein neues Phänomen. Doch ihr Wachstum und ihre Radikalisierung werfen drängende Fragen auf: Welche Einflüsse sind für diese Entwicklungen verantwortlich? Welche Rolle spielen wir als Gesellschaft, und welche die Politik, Behörden und insbesondere die Medien? Um diese Fragen zu beantworten, können Sie sich der ROMI-Analyse bedienen und die vier Schlüsselaspekte beleuchten: Raise Awareness (Bewusstsein schaffen), Organize (Organisation und Struktur), Manage (Verwaltung und Umgang) und Intelligence (Erkenntnisse und Informationsgewinnung).

Von Unzufriedenheit zur Radikalisierung

Die Reichsbürgerbewegung nährt sich aus einem tiefen Misstrauen gegenüber dem Staat. Dies zeigt sich nicht nur in den jüngsten Ereignissen in Baden-Württemberg, sondern auch in der steigenden Zahl ihrer Anhänger. Der Verfassungsschutz zählte im Jahr 2022 bundesweit rund 23.000 Anhänger, ein Anstieg um 2.000 im Vergleich zum Vorjahr. Doch was treibt Menschen in die Arme dieser Bewegung?

R: Bewusstsein schaffen

Die ROMI-Analyse beginnt mit der Phase des Bewusstseinsschaffens für bestimmte Themen. Täglich suchen Menschen nach Antworten, die der Mainstream-Diskurs nicht zu bieten scheint. Hier stoßen sie auf Narrative, die einfache Lösungen versprechen und die Keimzelle für die Radikalisierung bilden können.

O: Organisation und Struktur

Sobald ein Bewusstsein für gemeinsame Themen geschaffen ist, beginnt die Organisation. Die Reichsbürgerbewegung hat sich von einem losen Netzwerk zu einer strukturierten Gruppe entwickelt. Die Razzia in Baden-Württemberg ist nur ein Beispiel für die potenziellen Gefahren, die von solchen organisierten Gruppen ausgehen können.

M: Verwaltung und Umgang

Die Herausforderung für Politik und Behörden im Umgang mit solchen Gruppierungen ist enorm. Ein ausgewogenes Management, das sowohl präventive als auch repressive Elemente umfasst, ist essenziell. Doch ohne die richtige Balance können repressive Maßnahmen den sogenannten Booster-Effekt verstärken und die Radikalisierung weiter antreiben.

I: Erkenntnisse und Informationsgewinnung

Die Sammlung und Analyse von Informationen über die Bewegung ist entscheidend, um zu verstehen, wie externe Ereignisse und Maßnahmen als Katalysator für die Radikalisierung wirken können. Die aktuelle Berichterstattung über die Reichsbürger und die Maßnahmen gegen sie können unbeabsichtigt zur Bestärkung ihrer Narrative beitragen.

Ein tieferer Blick auf das Koordinatensystem und die Entwicklungsstufen der Radikalisierung

Die ROMI-Analyse nutzt ein dreidimensionales Koordinatensystem, um die Entwicklung der Reichsbürgerbewegung zu veranschaulichen. Dieses Modell ermöglicht eine differenzierte Betrachtung der Faktoren, die zur Radikalisierung beitragen.

  • X-Achse: Zeitlicher Verlauf – Diese Achse repräsentiert die zeitliche Entwicklung der Bewegung, beginnend mit den ersten Anzeichen von Unzufriedenheit bis hin zu direkten Aktionen.

  • Y-Achse: Intensität der Eignung – Die Y-Achse misst die Intensität, mit der Individuen oder Gruppen bestimmte Merkmale aufweisen, die sie für die Teilnahme an der Bewegung prädisponieren, einschließlich Unzufriedenheit mit dem politischen System und Anfälligkeit für Verschwörungstheorien. Ebenfalls wird die Intensität der Eignungen erfasst, d. h. die Fähigkeit die ein Täter benötigt, um eine bestimmte Handlung zu vollziehen. Darüber hinaus auch die Eignung eines möglichen Opfers sowie die Eignung des Zeitpunktes und des Ortes. Siehe auch Booster-Effekt.

  • Z-Achse: Entwicklungsstufen – Die Z-Achse ist unterteilt in vier Stufen, die den Grad der Radikalisierung widerspiegeln: von einem neuen Phänomen über die Vertiefung des Engagements bis hin zum tatkräftigen Entschluss, die Ziele der Bewegung mit Gewalt durchzusetzen.

  1. Neues Phänomen: Das Interesse an alternativen Weltanschauungen beginnt, oft ausgelöst durch persönliche Krisen oder gesellschaftliche Ereignisse. In dieser Phase sind Individuen offen für neue Ideen, die Antworten auf ihre Fragen bieten.
  2. Befassen mit dem Phänomen: Individuen beginnen, sich tiefer mit den Themen zu beschäftigen, die von der Bewegung aufgegriffen werden. Es bildet sich eine erste Identifikation mit den Zielen und Werten der Gruppe.
  3. Lernen, Vorbereiten und Aufbau von Fähigkeiten: In dieser Phase erfolgt eine aktive Beteiligung. Die Mitglieder eignen sich spezifisches Wissen an, organisieren sich und bauen Fähigkeiten auf, die für die Verfolgung der Bewegungsziele notwendig sind.
  4. Tatentschluss, operative Phase: Die letzte Stufe ist erreicht, wenn die feste Absicht besteht, die Ziele der Bewegung mit allen Mitteln, einschließlich Gewalt, durchzusetzen. Dieser Punkt markiert die höchste Wahrscheinlichkeit für die Durchführung von Aktionen, die die öffentliche Sicherheit gefährden können.

Die detaillierte Betrachtung der Reichsbürgerbewegung mithilfe des ROMI-Koordinatensystems offenbart, wie externe Einflüsse als Booster fungieren und die Radikalisierung verstärken. Politische Entscheidungen, Medienberichte oder Maßnahmen der Strafverfolgung können als Bestätigung der Bewegungsziele wahrgenommen werden und somit den Übergang zu operativen Phasen beschleunigen. Dieses Modell ermöglicht es, präzise Interventionen zu identifizieren, die auf verschiedenen Stufen der Radikalisierung ansetzen können, mit dem Ziel, den Booster-Effekt zu minimieren und präventive Maßnahmen zu stärken, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

Der Booster-Effekt muss erkannt und berücksichtigt werden: Das Zusammenspiel externer Faktoren verstärkt die Radikalisierung. Insbesondere die Handlungen von Politik, Medien und Behörden können unbeabsichtigt zur Legitimierung der Narrative radikaler Gruppen beitragen. Die Verbreitung von Desinformation, die Stigmatisierung bestimmter Gruppen und die Anwendung repressiver Maßnahmen ohne adäquate präventive Strategien können den Radikalisierungsprozess beschleunigen.

Und jetzt?

Bezogen auf das Titelbild: „Befreie mich von den Blöden!“ Fakt ist, wir alle müssen bei der Betrachtung und Bewertung von anderen immer bei uns selbst anfangen!

Hierbei biete Ihnen ROMI ein belastbares System an, bei dem die Eignung des Täters (Sender), des Opfers (Empfänger), des Ortes und des Zeitpunkts in einem Koordinatensystem betrachtet werden.

X-Achse: der zeitliche Verlauf; Y-Achse: die Intensität der Eignung; und Z-Achse: die vier Entwicklungsstufen (1. Phase: Neues Phänomen, 2. Phase: Befassen mit dem Phänomen, 3. Phase: Lernen, Vorbereiten und Aufbau von Fähigkeiten, 4. Phase: Tatentschluss, operative Phase, in der der oder die Täter die feste Absicht verfolgen, ihr Ziel mit Gewalt durchzusetzen).

Bitte konzentrieren Sie sich darauf, wie die Eignungen zeitlich auf einen Punkt in der Phase 4 mit maximaler Intensität zusammenlaufen (Intensität richtet sich nach der Belastbarkeit und Überprüfbarkeit von Informationen, die die jeweilige Eigenschaften beschreiben). Dies ist der Punkt, an dem eine maximale Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis wie einen Anschlag, eine Aktion oder bestimmbare Handlungen besteht, die der gewünschten Dynamik entsprechen.

Betrachten wir die Reichsbürger sowohl als Individuen als auch als Phänomen, um zu bewerten, inwieweit sie eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Aus meiner Sicht gibt es immer einen Booster, der je nach Impulsivität oder Vorbereitung der potenziellen Täter als Auslöser der Gewalt dient. Der Booster kann vielfältig sein, wie eine Kontrolle oder ein emotional wirkendes Ereignis, z.B. der Tod eines nahen Verwandten, eine regulierende Maßnahme einer dritten Partei oder durch eine Behörde oder ein gruppendynamischer Prozess, der den Eindruck erweckt, als etwas Besonderes und Besseres gegenüber dem selbst definierten Feindbild zu stehen.

Das Feindbild der Reichsbürger ist der Staat, der delegitimiert wird und dessen Handlungen als Willkür dargestellt werden. Dabei werden reale Handlungen von Politikern, Behörden wie der Polizei als Beispiele herangezogen und überzeichnet, also übertrieben dargestellt, um die eigenen Narrative als Tatsachen darzustellen.

Meine wichtigstes Anliegen ist der Booster-Effekt. Eigentlich sollte die Überschrift lauten: „Die Gefahr der fundamentalistischen Gruppendynamik am Beispiel der Reichsbürger.“ Behörden, Politik und Medien müssen erkennen, dass sie eine Mitverantwortung tragen, weil sie einerseits mit ihrer Berichterstattung das Feindbild-Narrativ beschleunigen und andererseits mit sanktionierenden Maßnahmen die Auslöser einer Gewaltdynamik sein können. Ok, dass war selbst mir zu lang.

Aber interessant ist, dass Berichte von den Medien oft zu weiterer Ausgrenzung führen, sowohl in sozialen Medien als auch zu wirtschaftlichen Sanktionen wie dem Verlust des Arbeitsplatzes und der sozialen Teilhabe. Personen, die dem Phänomenbereich der Reichsbürger, der AfD oder Rechtsextremen zugeschrieben werden (oft auch ohne Beweisführung und rechtliche Würdigung), werden häufig als Personae non gratae diffamiert, was dazu beitragen kann, dass diese ausgeschlossenen Personen noch viel tiefer in radikale oder extreme Phänomene abrutschen, da die gesellschaftliche Kommunikation und Teilhabe wesentliche Bestandteile der sozialen Zivilisation und grundlegende Rechte sind, deren Verlust einem sozialen Tod gleichkommt.

Politiker, Medien und Behörden müssen eine Entwicklungsanalyse wie ROMI durchführen, um die Einflüsse auf diese Entwicklung zu verstehen und den Booster-Effekt bei jeder Entscheidung zu berücksichtigen, um die Effekte, die diese Booster auslösen, in die Maßnahmen zu integrieren und stets die geeignetsten Maßnahmen zu wählen, die eine Harmonisierung der Gewaltentwicklung fördern, wie Aussteigerprogramme und Angebote sowie den Abbau von Narrativ-Dynamiken durch die seriöse Aufarbeitung von Informationen mit Methoden wie - ok, dass wäre jetzt zu viel Werbung. Aber, wir benötigen angemessene und angepasste Werkzeuge, die plausible Darstellungen bieten und die Wahl lassen, festzustellen, ob etwas innovativ wertvoll für die Gesellschaft ist oder ein Risiko für die Gesellschaft darstellt.