Berlin: Guten Tag und gute Nacht!

Morgennebel

6:45 Uhr, und das Summen des Weckers riss Peter aus einem Traum, an den er sich nicht einmal mehr erinnern konnte. „Verdammter Mist…“, murmelte er, als er sich widerwillig aus dem Bett quälte. Der Duft von frischem Kaffee hing in der Luft. Alex hatte wohl wieder an mich gedacht, schoss es ihm durch den Kopf. Jeden Morgen, bevor Alex in seine Firma verschwand, setzte Alex ihm Kaffee auf. Kaffee für den faulen Bürohengst, dachte Peter grimmig, aber auch mit einem Hauch von Dankbarkeit.

Doch an diesem Morgen roch es nicht nur nach Kaffee. Der Besuch von gestern – Freunde, die bis spät gegessen und gesoffen hatten – machte sich bemerkbar. Überall standen noch die Flaschen, halbleere Gläser und die Essensreste auf dem Tisch, als wäre keiner mehr in der Lage gewesen, aufzuräumen. Herrlich, dachte Peter, während er in die Küche schlurfte. Es war ein wenig so, als hätte das Leben selbst beschlossen, über Nacht in seinem Wohnzimmer zu campen.

Das Radio dudelte leise im Hintergrund, aber die Nachrichten interessierten ihn nicht. Zu viel Elend, zu viele Katastrophen, jeden Tag derselbe Dreck. In seiner WhatsApp blinkten neue Nachrichten auf – eine davon von Alex. „Bin schon im Büro. Meetings den ganzen Tag. Viel Erfolg im Amt, Schatz.“ Peter schnaubte. Meetings, klar. Während ich hier in der Behörden-Scheiße hocke und mir immer wieder die gleichen dämlichen Fälle von noch dämlicheren Idioten reinziehe. Nicht, dass er seinen Job hasste, aber Begeisterung? Die war längst futsch.

Er scrollte durch die WhatsApp-Nachrichten. Russland rüstet weiter auf, Spannungen im Nahen Osten, sterbende Kinder in Gaza. Immer derselbe Mist. „Ja klar, die Welt geht zugrunde, und ich sitz hier und tu so, als wär’s mir egal“, murmelte Peter vor sich hin. Und das Schlimmste? Es ist mir wirklich egal. Wie kann das sein? Er lehnte sich gegen die Arbeitsplatte, nahm einen tiefen Schluck Kaffee und versuchte, dieses beschissene Gefühl der Taubheit wegzuspülen.

Kinder sterben. Menschen sterben. Und ich? Ich fühl nichts. Null. Nada. Aber wehe, ich guck Titanic – dann heul ich wie ein beschissener Schlosshund. Was zum Teufel war aus der Welt geworden? Oder besser: Was war aus ihm geworden? Alles stumpft ab, jeder Tag war nur noch Routine. Vielleicht bin ich einfach nur ein abgestumpfter Arsch. Oder die Welt ist zu beschissen, um sich noch darüber aufzuregen.


Es war inzwischen 8:15 Uhr, als Peter die Wohnung verließ und sich auf den Weg zur Arbeit machte. Die Straßen von Prenzlauer Berg waren wie immer voll. Fahrradfahrer schossen an ihm vorbei, als wären sie direkt auf der Flucht aus der Hölle. „Rafft euch doch mal, ihr Penner. Ihr seid die Hölle auf zwei Rädern.“, grummelte er vor sich hin, als einer von ihnen fast seine Schulter streifte. Die sind alle hypnotisiert, dachte Peter. Die irren wild durch die Stadt, als würde es irgendwo Sinn geben. Fehlt nur noch, dass sie anfangen, Gehirne zu fressen. Wobei, viel scheint da eh nicht mehr übrig zu sein. Die Menschen hier sind wie Geister. Abwesend. Niemand lebte mehr wirklich.

Der Geruch von Abfall und Kaffee lag in der Luft. Berlin in seiner vollen Pracht. Ein türkischer Händler startete gerade seinen alten Dieseltransporter und eine schwarze Rauchwolke quoll heraus. „Ey, mit dem Ding darfst du hier gar nicht mehr fahren, du Drecksau!“ rief Peter gereizt. Der Typ grinste nur, zeigte ihm den Mittelfinger und fuhr die Schönhauser Allee entlang. „Fick dich doch!“, brüllte er zurück. Peter schnaubte und verzog sein Gesicht, als hätte er einen Tritt in die Kronjuwelen bekommen. Ja, genau, fick dich auch. Ist doch alles für’n Arsch hier.

Er zog den Mantel enger, als der Wind ihm ins Gesicht peitschte, und machte sich auf den Weg zur U-Bahn. Senefelderplatz. Immer derselbe Scheiß. Jeder rennt, als ob es irgendwo besser werden würde. Die Berliner huschten durch die Straßen wie ferngesteuert, ohne zu merken, dass sie längst in einem verdammten Trauma feststeckten. „Ich schwöre, Berlin ist mittlerweile wie ‚The Walking Dead‘. Nur dass die Zombies hier Handys und Laptops dabei haben“, murmelte er, als er die Treppen zur U-Bahn-Station hinunterging.


In der U-Bahn setzte sich Peter ans Fenster, den Blick in die Leere gerichtet. Hinter ihm unterhielten sich zwei Typen lautstark. „Hast du die Militärfahrzeuge gestern gesehen? Alter, als wären wir schon im Krieg!“ „Ja, hab’s gesehen. Die spinnen doch alle.“

Peter verdrehte die Augen. Als ob ihr mit eurem dämlichen Gequatsche die Welt retten könntet. Ihr seid sogar zu blöd, um einen Apfel vom Baum zu pflücken.“ Er zog sein Handy raus, aber diese Art Gespräche nervte ihn. Irgendwie schienen die Menschen um ihn herum in einer Dauerhypnose zu verharren. Sie redeten, sie bewegten sich, aber innerlich? Tot. Jep, Walking Dead in echt. Hier laufen alle wie im Wachkoma rum, während ihre echte Welt den Bach runtergeht. Seine Gedanken drifteten zurück zu Alex. Früher hatten sie über so viel geredet. Jetzt? Es ist anders geworden. Vielleicht war das der natürliche Lauf der Dinge. Irgendwann schalten alle nach einer gewissen Zeit ab.

Die U-Bahn ratterte weiter, und Peters Gedanken drehten sich wieder um die Frage, warum das Elend irgendwie alle kaltließ. Vielleicht ist das das wahre Problem. Nicht die scheiß Welt da draußen, sondern dass keiner mehr was fühlt. Scheiß auf die Kriege, die Katastrophen. Was interessiert’s mich, solange es nicht direkt in meinem verdammten Vorgarten explodiert?


Das Büro an der Friedrichstraße war ein Glaskasten ohne Seele. Ein Ort, der so steril war, dass es fast weh tat. Der Geruch von Reinigungsmitteln hing in der Luft, als könnte man damit den ganzen Dreck der Welt wegwischen. Wäre schön, wenn’s so einfach wär.

Im Großraumbüro herrschte bereits das übliche Chaos. Robert und Anna standen bei der Kaffeemaschine und diskutierten. „Hast du die Militärpräsenz am Alexanderplatz gesehen? Immer mehr Kampfflugzeuge peitschen über Deutschland. Sieht aus, als würde morgen der Krieg anfangen.“ Anna nickte eifrig.

„Ach, haltet doch die Klappe mit eurem Panik-Gelaber“, brummte Peter, als er sich auf seinen Stuhl fallen ließ. „Russland hat keinen Bock, uns hier anzugreifen. Die spielen doch alle nur mit uns.“ Er schnappte sich seine E-Zigarette, lief zum Fenster und nahm einen tiefen Zug. Regeln? Scheiß drauf.

Robert kam rüber. „Aber wenn’s doch mal knallt?“

Peter grinste düster. „Ach komm, mach dich nicht nass. Angst verkauft sich gut. Mit Angst machst du die dicke Kohle. Aber am Ende passiert eh nix.“ Er blies den Rauch aus. „Also konzentrier dich lieber auf die paar Dinge, auf die du noch Einfluss hast.“

Anna kam aus ihrem Büro, ihre Augen blitzten scharf. „Du tust so, als wäre das alles ein Witz.“

Peter zuckte mit den Schultern und nahm noch einen Zug von seiner Zigarette und blies eine große Wolke aus. „Vielleicht ist es das auch. Solange sie nicht an meine Tür klopfen, interessiert’s mich nen Scheiß. Und wenn sie’s doch tun, dann schaun wir mal.“

Robert lachte auf. „Du bist echt 'n verrückter Freak, Peter. Aber irgendwann stehst du da und wunderst dich.“

„Ja, vielleicht. Aber bis dahin bleib ich schön entspannt“, sagte Peter mit einem sarkastischen Lächeln, während sein Blick über das Büro schweifte. Alles vorhersehbar. Alles langweilig. Die Welt da draußen könnte brennen, und hier drin merkt’s keiner. Und umgekehrt ist es eben auch. Über die Nachrichten wird Panik gemacht, obwohl eigentlich nichts ist, und dann passiert aufgrund der Nachrichten erst was, weil wir alle so saudumm geworden sind, und nicht mehr in der Lage, das eigene Gehirn zu benutzen. Wie in 'ner Blase. Solange die Routine läuft, geht’s weiter. Scheiß auf den Rest. Vielleicht sollte ich einfach die nächste Rakete zum Mars nehmen. Schlechter kann’s da oben auch nicht sein. Dann sagte er leise, fast zu sich selbst: „Weißt du, ein kluger Mann hat mal gesagt: Wenn’s dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Glatteis. Deswegen, haltet eure hässlichen Ärsche vom Eis.“


Dinner for Spinner

Die Uhr zeigte kurz nach zwölf, und Peter fühlte, wie ihm der Hunger langsam in den Magen und die Müdigkeit in die Knochen kroch. Er brauchte frische Luft. Der Arbeitstag zog sich wie ein Kaugummi, und die Geräusche des Büros – das ewige Tippen, das Summen der Geräte, die Gespräche, die sich immer wieder um dieselben Banalitäten drehten – machten ihn verrückt.

Er beschloss, sich in ein Café an der Ecke zu setzen. Sein Lieblingsplatz, wo er die Mittagsstunden oft mit dem Tagesmenü verbrachte, ohne wirklich was dabei zu denken. Als er die Friedrichstraße entlangging, die Menschenmassen um ihn herum kaum wahrnehmend, hörte er eine vertraute Stimme: „Hey Peter? Lang nicht gesehen. Was macht die Kunst?“

Peter drehte sich um und sah Max, einen alten Freund aus Schulzeiten. Max, der immer schon politisch aktiv gewesen war, mittlerweile tief in der Szene verankert, arbeitete für irgendein Ministerium. Oder war es eine Lobbygruppe? Peter wusste es nicht mehr genau. Sie hatten sich eine Weile nicht mehr gesehen.

„Max! Wie geht’s? Was machst Du und wo versteckt Du dich eigentlich die ganze Zeit?“, fragte Peter, während Max ihn mit einem festen Händedruck begrüßte.

„Ich komme gerade aus einem Meeting hier um die Ecke. Geheimes Ding, aber eigentlich auch nicht, weil die Nachrichten sowieso schon das bringen, was man uns als geheim verkauft. Beispiel, die Sache mit der Rüstungsindustrie… es eskaliert langsam. Echt, alles läuft aus dem Ruder“, sagte Max leise.

„Ach ja?“, Peter warf ihm einen skeptischen Blick zu und nahm einen Schluck von seinem Cappuccino. „Was ist daran neu?“

Max seufzte und ließ seinen Blick über die Straße schweifen, als ob er abwägen wollte, wie viel er preisgeben konnte. „Weißt du, die Verflechtungen zwischen der Politik und der Rüstungsindustrie sind ja nicht neu. Aber jetzt? Jetzt verlieren die selbst den Überblick. Es gibt keine klare Linie mehr. Jeder schiebt dem anderen die Verantwortung zu, aber am Ende drehen sie sich hysterisch im Kreis.“

„Klingt nach nem ganz normalen Tag im Büro“, erwiderte Peter trocken.

„Vielleicht.“ Max lehnte sich zurück und nahm einen Schluck von seinem schwarzen Kaffee, den ein Kellner gerade abgestellt hatte. „Aber das hier ist anders. Es geht nicht mehr nur um Geld. Das Problem ist, dass keiner mehr wirklich an einen Frieden überhaupt interessiert zu sein scheint. Die glauben alle, es wird schlimmer – und handeln danach. Sie schieben sich gegenseitig in die Ecke, ohne zu merken, dass sie die Lage nur weiter verschlimmern. Du kennst doch die Geschichte: Die Lobby und die großen Firmen geben der Politik Instruktionen, und die Politiker tanzen nach deren Pfeife. Aber keiner will davon wissen, was das langfristig bedeutet. Es ist wie ein Kreislauf, der außer Kontrolle gerät.“

Peter schwieg einen Moment. Diese ganze Rüstungs- und Lobbymaschinerie war immer etwas gewesen, das er weit von sich geschoben hatte. „Also schüren sie die Spannungen, ohne es zu merken?“

„Ja, genau“, sagte Max, seine Stimme war bitter. „Sie glauben, sie tun das Richtige. Es gibt so viele Interessen, die da reinspielen. Jeder will seinen Teil vom Kuchen. Und dann passieren solche Sachen wie heute.“

„Was meinst du?“, fragte Peter misstrauisch.

Max zog sein Handy hervor, sein Blick ernst, und zeigte Peter die neuesten Nachrichten. „Anschlag auf ein Kraftwerk in Brandenburg. Das Netz ist flächendeckend ausgefallen, und offiziell hat noch keiner eine Ahnung, wer dahintersteckt.“

Peter starrte auf das Display. Ein Bild von einem rauchenden Gebäude flimmerte über den Bildschirm. „Scheiße… wer war’s?“

„Das ist das Problem. Offiziell weiß es keiner. Aber inoffiziell… na ja, es sieht nach russischen Händen aus. Allerdings haben sie’s clever gemacht. Extremisten in Deutschland, die vom FSB bezahlt wurden, um den Anschlag auszuführen. Natürlich gibt’s keine eindeutigen Beweise. Alles läuft verdeckt, alles so verstrickt, dass keiner mehr den Überblick hat.“

Peter fühlte, wie sich ein kalter Knoten in seinem Magen bildete. „Und was macht die Regierung?“

Max zuckte mit den Schultern. „Sie verhandeln mit den Firmen, die diese Scheißsituation noch verschärfen. Jeder Politiker weiß, dass er von diesen Lobbyorganisationen abhängig ist. Wer sich querstellt, wird kaltgestellt. So läuft das Spiel. Da hängen so viele Schneeballssysteme dran, dass wenn eins fällt, die anderen sofort mit heruntergerissen werden könnten. Verstehst Du? Die ganzen Organisationen, die nur durch die öffentliche Hand leben und anders niemals existieren könnten, alle hängen an diesem Tropf.“

Peter lehnte sich zurück und starrte auf die vorbeiziehenden Menschen. Sie schienen wie immer, unbeteiligt, hypnotisiert von ihrem Alltag wie von Fäden gezogen durch den Tag zu ziehen. „Ich weiß nicht.“

„Du musst es nicht glauben, Peter. Aber es passiert. Überall. Die Medien füttern die Situation mit Angst. Die Meisten sind langsam weichgeklopft und akzeptieren, dass wir weiter eskalieren. Und sie merken nicht mal, dass sie selbst Teil des Problems sind.“

Peter schwieg. Er fühlte sich, als müsste er sich bewegen, aber wie und was macht überhaupt Sinn? Während er noch darüber nachdachte, hörte er eine Sirenen in der Ferne heulen. Er sah auf die Nachrichtenmeldungen, die sich überschlagen: „Brandenburgs Stromnetz fällt großflächig aus“, „Vermutlich terroristischer Anschlag“, „Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen in ganz Deutschland“.

„Wenn der Krieg wirklich kommt, hoffe ich, dass sie wenigstens die Müllabfuhr in Ruhe lassen. Sonst verrecken wir alle in unserem eigenen Scheiß.“


Peter kehrte nach dem Gespräch mit Max ins Büro zurück, aber seine Gedanken waren woanders. Der Anschlag auf das Kraftwerk, die Informationen über die ganzen Verflechtungen zwischen Politik und Industrie, all das hallte in seinem Kopf wider. Als er durch das Büro ging, fiel ihm die Stille auf. Jeder starrte auf seine Bildschirme, doch niemand sprach darüber. Als wäre es ein gewöhnlicher Tag, und der Anschlag, der Stromausfall – all das passierte in einer anderen Realität.

Peter blickte sich um. „Warum haben wir eigentlich noch Strom?“ Robert zuckte mit den Schultern. "Notstromaggregat. Hält vielleicht 72 Stunden.“

Sie alle begaben sich in die Kaffeeküche. Dort standen Robert, Anna und Peter, wie immer am Diskutieren. „Hast du von dem Anschlag gehört?“, fragte Anna aufgeregt. „Es sieht so aus, als hätte Russland wirklich seine Finger im Spiel.“

„Ach, hör doch auf mit dem Scheiß“, murrte Robert. Wir wissen doch, wie die ticken. Immer Drama, immer Hysterie. Als ob die Russen wirklich Bock hätten, uns hier anzugreifen.“

Peter schnappte sich seine E-Zigarette, zog daran und ging ans Fenster. Er sah hinaus auf die Stadt. Was, wenn es kein Übertreiben ist? Was, wenn wir alle nur noch wie Marionetten tanzen?, dachte er. Die Irren irren durch die Straßen, und selbst wenn man ihnen 'n paar Krümel Hirn hinwirft, würden sie’s nicht mal merken.

Er blies den Rauch aus und sah zu, wie er sich im trüben Licht des Nachmittags verlor. Es war, als hätte die Stadt selbst ihren Atem angehalten, wartend auf den nächsten Zug in einem Spiel, das keiner wirklich verstand.


Der Arsch brennt

14 Uhr. Peter saß an seinem Schreibtisch und starrte auf den Bildschirm. Der Tag zog sich trotz der Vorfälle – oder gerade deswegen – wie eine endlose Bundestagsdebatte über das Thema „Sexualverhalten von Rindviechern auf Glatteis“. Seine Finger tippten mechanisch auf der Tastatur, doch sein Kopf war längst woanders. Die jüngsten Ereignisse und das Gespräch mit Max am Mittag nagten an ihm. Normalerweise ließ er die Welt außerhalb seines Einflussbereichs einfach abprallen, aber heute… heute war es anders.

Ein Ping ertönte auf seinem Handy. WhatsApp. „Breaking News: Deutschland im Kriegszustand? Politiker fordern sofortige NATO-Sitzung.“ Peter las die Nachricht und runzelte die Stirn. Kriegszustand? Er klickte auf den Link und wurde zu einem Livestream weitergeleitet. Die Nachrichten zeigten hektische Reporter vor Regierungsgebäuden, und der Text am unteren Rand schrie: „Sonderkriegssitzung der UN und NATO wird einberufen.“

Peter zog die Augenbrauen zusammen. Sonderkriegssitzung? So 'ne Scheiße… Der Reporter sprach von „unbestätigten Berichten“, dass Russland Truppenbewegungen innerhalb der EU begonnen habe und bereits Kräfte in Polen einrücken würden. Na wunderbar. Fehlt nur noch, dass die Panzer auf Berlins Straßen rollen, dachte Peter zynisch.

Bis 16 Uhr zog sich die Zeit noch zäher dahin. Pünktlich, wie jeden Tag, legten die meisten im Büro ihre Arbeit nieder, als würde nichts außerhalb dieser vier Wände passieren. Die Kollegen verabschiedeten sich in alle Richtungen, als könnte man den Weltuntergang einfach mit Feierabend besiegeln. Peter schnaubte leise, schnappte sich seine Jacke und machte sich auf den Weg nach draußen. Als ob das Leben einfach so weitergehen könnte, egal was draußen passiert…

Draußen schien das Leben allerdings nicht mehr weiterzugehen. Die Bahnhöfe waren leer, die Züge standen still. Peter zog sein Handy hervor: „Bahnverkehr eingestellt wegen Stromausfall in Teilen der Stadt. Hinweise auf Anschlag auf Bahninfrastruktur.“ Natürlich. Ein Totalausfall ist ja genau das, was wir jetzt brauchen.

Peter seufzte und entschied sich, den Weg nach Hause zu Fuß zurückzulegen. Prenzlauer Berg war nicht weit, aber die Straßen fühlten sich anders an.

Plötzlich vibrierte sein Handy. Alex. Peter seufzte tief und nahm ab. „Na, was gibt’s?“ fragte er trocken.

„Ich sitze im Büro fest. Hier fährt nichts mehr, der Bahnverkehr ist komplett lahmgelegt. Peter, was machen wir? Ich habe keine Ahnung“, jammerte Alex ins Telefon.

Peter schnaubte spöttisch. „Willkommen in der Apokalypse, Schatz. Berlin wird bald zur No-Go-Zone. Wenn du schlau bist, bleibst du da, wo du bist. Oder noch besser: Steig in dein nichtvorhandenes Auto und verlasse diesen beschissenen Ort.“

„Auto? Welches Auto? Wir wohnen in Berlin, falls du dich erinnerst. Brauchen wir hier ja angeblich nicht, weil alle so verdammt mobil sind.“

Peter lachte bitter. „Ja, klar. Total mobil, solange die Bahnen fahren und kein Stromausfall den halben Verkehr lahmlegt. Stell dir vor, wir hätten eine Stadt mit funktionierender Infrastruktur. Aber nein, hier läuft der Film vom Weltuntergang.“

Alex seufzte. „Was soll ich machen? Hierbleiben oder versuchen, nach Hause zu kommen?“

„Bleib, wo du bist“, sagte Peter entschlossen. „Oder verkriech dich irgendwo außerhalb der Stadt, aber versuch bloß nicht, jetzt quer durch Berlin zu kommen. Hier draußen wird’s langsam echt ungemütlich.“

„Ungemütlich?“

Peter sah wieder vor seinem geistigen Auge die aufgebrachte Menschenmenge, die sich weiter vorne am Alexanderplatz versammelte und von allen Teilen der Stadt Zulauf von aufgebrachten und gewaltbereiten Menschen erhielt. „Ich sage mal so: Wenn du es vermeiden kannst, in die Nähe von wütenden Demonstranten und Bullen mit Knüppeln zu kommen, dann tu es.“

Als Peter die Alexanderstraße entlangging, sah er weiter vorne Blaulichter und hörte Rufe. Eine Menge hatte sich auf der Kreuzung versammelt. Peter wollte einen Bogen um das Geschehen machen, doch plötzlich flog ein Stein durch die Luft. Aua. Scheiße! Leck mich am Arsch. Er wurde am Oberarm getroffen. Toll, als ob der Tag nicht schon genug im Arsch wäre. Mit Schmerzen näherte er sich vorsichtig der nächsten Straßenkreuzung, um zu sehen, ob es dort weniger gefährlich ist.

Eine Gruppe Demonstranten war völlig außer Kontrolle geraten. Menschen schrien, Polizisten versuchten mit Lautsprecherdurchsagen, die Menge zu beruhigen. Aber das funktionierte nicht. Einige der Demonstranten hatten Wurfgeschosse, Brandsätze und sogar Macheten. Macheten? Was zur Hölle? Fehlt nur noch, dass jemand mit ’nem Katapult ankommt. Dann sah er mehrere vermummte Personen, die der Statur nach auch Hooligans sein könnten, die von einer nahegelegenen Baustelle Waschbetonsteine geholt hatten und diese nun auf ungeschützte Polizisten warfen, die nur in ihren Diensthemden da standen. Die armen Schweine. Eigentlich nur für die Verkehrslenkung hier und jetzt mitten im Krieg.

„Hey! Siehst du das?!“ rief ein junger Typ mit Maske, der direkt neben Peter stand. „Das ist unsere verdammte Zukunft, Mann!“

Peter sah ihn an und schnaubte verächtlich. „Zukunft? Wenn das die Zukunft ist, dann verpiss dich lieber, bevor du nochmal richtig eine auf den Schädel bekommst, so blöd wie du bist, ging es Dir wohl schon öfters so.“

Der Typ zuckte mit den Schultern, als würde er Peters Worte nicht verstehen. „Krawall und Remmidemmi!“, schrie er und rannte in die Menge.

Peter verdrehte die Augen. Ja, klar. Viel Spaß.

Plötzlich krachten mehrere Platten direkt in eine Gruppe von Polizisten neben Peter. Die Schockwelle ließ ihn zusammenzucken. Als die Polizisten sich umschauten, stellten sie panisch fest, dass eine Beamtin regungslos am Boden lag und ein Teil ihres Gesichts entstellt war. Blut lief aus Ohren und Nase. Sie ist tot, dachte Peter erschrocken, während ein anderer Beamter neben seiner Kollegin kniend verzweifelt nach seinem Funkgerät griff. Kurze Zeit später stürmte die Bereitschaftspolizei mit Tonfas und Pfefferspray auf die Demonstranten zu. Es war, als würde ein wütender Mob auf einen anderen losgehen – wie zwei wildgewordene Tiere, die nicht mehr wussten, warum sie überhaupt kämpften.

Peter stand nur da, als Zuschauer in einem surrealen Film. Eben noch im Büro, wo die größte Sorge „der Kaffee ist aus“ war, und jetzt sah er Menschen, die sich auf offener Straße die Schädel einschlugen. Was ist passiert und warum sind wir so geworden? fragte er sich, während er langsam rückwärts ging. Während er versuchte, unbehelligt nach Hause zu laufen, sah er immer wieder, wie Menschen aufeinander einschlugen, schrien und mit Steinen und Brandsätzen warfen. „Das ist der verdammte Krieg“, murmelte er immer wieder vor sich hin. Ein echter Krieg. Nicht in Israel. Nicht in der Ukraine. Hier. In Berlin.

Als er endlich in seiner Wohnung ankam, warf er seine Jacke in die Ecke und ließ sich auf das Sofa fallen. Er griff nach seinem Handy und scrollte durch die Nachrichten, die sich nur langsam aufbauten, weil scheinbar auch das Handynetz nun gestört zu sein schien. Dann erschien auf dem Bildschirm: „Europa im Krieg“, „Berlin im Ausnahmezustand“, „Anschläge auf Infrastruktur befürchtet“, „Polizei im Einsatz gegen Terroristen.“

Peter seufzte. Wahnsinn. Vollkommener Wahnsinn. Er starrte an die Decke und hörte draußen noch die Sirenen und das Knattern von Hubschraubern. Und das ist erst der Anfang. Aber hey, wenigstens gibt’s noch Whiskey im Schrank. Er stand auf, nahm ein Glas, füllte es bis zum Rand und sah aus dem Fenster, während er die Rauchsäulen beobachtete, die über der Stadt aufstiegen.


Rauschen

Peter saß in seiner Wohnung, die schwach vom letzten Tageslicht erleuchtet wurde. Der Whiskey in seinem Glas war fast leer, doch er dachte nicht daran, nachzuschenken. Sein Kopf war zu voll. Draußen hörte er immer noch den Tumult der Straße, ab und zu das entfernte Grollen von Kampfhandlungen und auch Explosionen. Berlin – seine Stadt – war nun über Nacht ein Schlachtfeld. Seine Gedanken drehten sich um die vielen Verletzten, die Schreie, die er vorhin noch gesehen und gehört hatte. Der Krieg war hier. Nicht in den Nachrichten. Er war hier, und niemand schien es richtig zu begreifen.

Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Peter stöhnte leise, erhob sich schwerfällig und öffnete. Vor ihm standen einige seiner Nachbarn: Lena, die immer so stolz auf ihren veganen Lifestyle und ihre Öko-Aktivitäten war, und Thomas, der Typ von nebenan, der sonst immer mit seinem Lastenrad durch die Gegend fuhr. Beide hatten Flaschen in der Hand, und hinter ihnen hörte Peter Gelächter und Stimmen aus dem Flur.

„Hey Peter, komm raus, wir treffen uns unten im Hof!“, rief Lena und wedelte mit einer Flasche Wein vor seiner Nase. „Wir müssen über das hier reden!“

Peter sah sie skeptisch an. Was soll’s, vielleicht hilft es, die Apokalypse zu ertränken, dachte er sich. Er nahm seine Jacke und folgte den beiden nach draußen in den Innenhof. Ein paar Leute hatten sich bereits versammelt – auch die aus der Nachbarschaft, die man sonst nie sah. Sie sprachen laut und taten so, als wäre es von Belangen, was sie - jeder einzelne von ihnen - nun von sich gaben. Die Gespräche waren definitiv anders als die, die Peter von dieser Art Menschen sonst vernahm. Dunkler.

„Hast du das auch gehört, dass der Fernsehturm gesprengt worden sei?“ begann Thomas, als sie sich hinsetzten. „Wir werden angegriffen. Aber was können wir tun?“

„Ja, keine Ahnung. Wir brauchen Sicherheit. Jemand der das klärt.", schrie Lena unverhohlen. Peter sah sie überrascht an. Brauchen?

„Wie meinst du das?“ fragte er, und versuchte, die offensichtliche Verwirrung in seiner Stimme zu verbergen.

Lena nahm einen Schluck aus einer Flasche mit irgendeinen Fussel drin und sah ihn an, als hätte er eine dumme Frage gestellt. „Na, das System bricht zusammen. Es stirbt. Aber, vielleicht ist das die Chance, etwas Neues zu beginnen. Ist doch besser, wenn es jetzt knallt, bevor es mit Atombomben knallt.“

Peter schnaubte. So redet sie also jetzt. Vor ein paar Monaten hat sie sich noch über Plastikstrohhalme aufgeregt und jetzt bejubelt sie den Krieg?

„Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass diese Gewalt irgendetwas Gutes bewirkt, oder?“ fragte er trocken.

Thomas, der neben Lena saß, nickte energisch. „Manchmal braucht es Gewalt, um etwas Neues aufzubauen. Guck dir die Geschichte an. Jede Revolution hat mit Blut begonnen.“

Peter rieb sich die Schläfen. „Ja, und jede Revolution endete in noch mehr Chaos. Aber klar, lasst uns doch mal alles in die Luft jagen und sehen, was übrig bleibt. Ist bestimmt ne Spitzenidee.“

Sie lachten, aber es klang hohl in Peters Ohren. Diese Gleichgültigkeit, schockierte diesmal ihn. Leute, die noch vor Monaten mit Fridays for Future-Schildern durch die Straßen marschiert waren, redeten jetzt, als ob Krieg und Zerstörung eine willkommene Abwechslung wären. Habt ihr alle den Verstand verloren?

Plötzlich verstummte das Gelächter, als sie das leise Summen hörten. Es klang fast wie das Geräusch eines Insekts, doch es kam näher. Peter sah skeptisch in den Himmel. Drohnen. Dutzende, vielleicht Hunderte kleine, dunkle Punkte, die sich durch den Himmel schoben.

„Das sind keine Überwachungsdrohnen…“, murmelte er, mehr zu sich selbst als zu den anderen.

„Wahnsinn, oder?“, sagte Thomas fast begeistert. „Sieh mal, wie organisiert das ist.“

„Organisiert?“ Peter konnte nicht fassen, was er hörte. „Das ist kein verdammtes Experiment. Das sind Angriffe. Die Dinger werden auf uns zusteuern, wenn sie es müssen.“

Sein Handy empfang fast keine Nachrichten mehr. Eine der letzten Meldungen las er lauf vor: „Cyberangriff legt Stromnetz in Teilen Europas lahm“, „Mehrere Städte unter anderm auch Berlin unter Drohnenangriff – militärische Aktionen vermutet“, „Söldner und Schläferzellen greifen gezielt Infrastrukturen in den Städte an“.

Plötzlich wurde der Himmel von einem gleißenden Licht erhellt. Eine Explosion folgte der nächsten. Die Drohnen trugen Waffen. Raketen schossen über die Dächer der Stadt und trafen Ziele, die Peter nicht sehen konnte. Doch der Lärm der Explosionen ließ keinen Zweifel.

„Verdammt", murmelte Peter und sah zu den anderen, die jetzt ebenfalls begriffen, dass es ernst war. „Ist es das was ihr wolltet?“

Lena begann erst zu schluchzen und dann an zu weinen. Ihr wahres Ich war geprägt von Unsicherheit, weil sie keine Ahnung hatte, nicht vorbereitet war und schon gar keine Erfahrung darin hatte, was man in derartigen Notfällen machen kann.

Peter schüttelte den Kopf. „Lasst uns sofort in Keller rennen ihr Idioten, bevor es uns hier erwischt.“

Plötzlich flackerte das Licht in der Straße, und dann war es weg. Der Strom fiel komplett aus. Alles wurde still. Nur noch Sirenen und Hupen und das leise Summen der Drohnen, das wie eine bedrückende Decke über der Stadt lag.

Peter spürte, wie ihm das Blut in den Adern abwechselnd kalt wurde und kurze Zeit später fast vor Hitze kochte. Es passiert wirklich. Es passiert alles gleichzeitig, und niemand ist vorbereitet.

Nach zwei Stunden verließ er den Keller, ließ die Gruppe hinter sich und ging langsam zurück in seine Wohnung. Draußen schossen Raketen über den Himmel, aber Peter hatte keine Kraft mehr, sich darüber zu wundern. Als er in seine Wohnung trat, war alles dunkel. Er griff nach dem Handy, aber das Netz war tot. Keine Verbindung mehr zur Außenwelt. Kein Kontakt mehr zu Alex.

Er setzte sich aufs Sofa und starrte ins Dunkel. Das war also das Ende. Kein glorreiches Aufbäumen, kein epischer Kampf. Nur Chaos, Zerstörung und Menschen, die nicht begreifen, was sie wirklich wollten. Die Sirenen, die Drohnen – das alles fühlte sich jetzt wie ein dumpfer Hintergrundton an. Was blieb? Nur die bittere Erkenntnis, dass es zu spät war, die Fehler zu korrigieren.

Peter lehnte sich zurück und schloss die Augen. „Toll. Ganz toll.“


Momentum

Peter lag auf dem Sofa, im schwachen Mondlicht, dass sich durch die Ritzen der heruntergelassenen Jalousien drang. Der Whiskey in seinem zweiten Glas war auch längst leer, und er spürte das Dröhnen in seinem Kopf. Doch das Geräusch kam nicht nur von seinem Alkoholpegel – draußen tobte die Hölle. Explosionen, Sirenen, Schüsse. Die Stadt, die niemals schlief, wurde von einem neuen Lärm überrollt.

Berlin hatte sich innerhalb weniger Stunden verändert. Und doch… hatte er die Veränderung kommen sehen? Hatte er nicht immer gewusst, dass all die aufgestauten Frustrationen der eigenen Belanglosigkeit irgendwann in Wut explodieren würde? Er war einer von vielen Idioten, die die Augen davor verschlossen hatten. So lange, bis es zu spät war.

Er sah auf sein Handy, das tot in seiner Hand lag. Keine Verbindung mehr. Keine Nachrichten. Kein Kontakt zu Alex. War Alex noch im Büro? Oder hatte Alex es geschafft, die Stadt zu verlassen? Peter wusste es nicht. Und die Ungewissheit fraß an ihm.


Die letzten zwei Stunden hatten sich angefühlt wie eine Ewigkeit. Nachdem sie in den Keller geflüchtet waren, war die Panik in der Gruppe schnell gewachsen. Lena hatte geweint, Thomas war blass geworden, und die anderen Nachbarn, die Peter kaum kannte, hatten sich gegenseitig mit ihren Handys angeleuchtet und versucht, verzweifelte Anrufe zu tätigen. Doch niemand kam durch. Die Kommunikation war unterbrochen. Alles war unterbrochen. Auch irgendwann der Stromfluss ihrer Handys.

Die Stadt war in Finsternis gehüllt, die Straßenlaternen waren ausgegangen, und das Summen der Drohnen über ihren Köpfen schuf eine Atmosphäre der Angst. Die Angriffe waren zwar gezielt, strategisch, aber man war sich nicht sicher, ob man selbst in den Schuss- oder Explosionskanal gelangen konnte. Die Angreifer hatten nicht nur militärische Ziele im Visier. Vor allem die zivile Infrastrukturen wurden getroffen – Kraftwerke, Wasserwerke, Kommunikationszentralen.

Peter erinnerte sich daran, wie einige der verpeilten Spinnern währende ihren Gesprächen im Innenhof noch vor wenigen Stunden alles für ein Spiel gehalten hatten. Für ein „notwendiges Übel“, um die Gesellschaft zu reformieren. Doch jetzt war die Realität über sie hereingebrochen wie eine Flutwelle, und sie hatten keine Ahnung, wie man schwimmt.


Nachdem er seine Wohnung verlassen hatte, wanderte Peter durch die leeren Straßen zu dem Elternhaus von Max, seinem damaligen Schulfreund. Die Dunkelheit war drückend ungewohnt und das Stadtbild erinnerte nicht mehr an das Berlin bei Nacht, dass man kannte. Kein Licht, keine der typischen Geräusche außer den fernen Explosionen und dem leisen Wimmern von ängstlichen Menschen in der Stadt.

Peter klingelte an der Adresse, die er von früher kannte. Plötzlich öffnete Max mit einer Pistole in seiner rechten Hand die Tür. Sein Gesicht war angespannt.

„Peter!“, rief Max aus, als er ihn erkannte. „Komm rein!“

„Weißt Du irgendetwas, was man in diesem Kessel tun kann?“, fragte Peter tonlos.

Max schnappte nach Luft, als hätte er die letzten Meter im Laufschritt zurückgelegt. „Raketen. Irgendwelche NATO-Kräfte haben Raketen auf Moskau abgefeuert.“

Peter blieb stehen und starrte Max an. „Was? Moskau?“

„Ja. Es gab Einschläge in der Nähe des Kremls. Mehrere Tote. Angeblich auch Kasernen getroffen. Die Russen drehen jetzt vollkommen durch. Es ist die Hölle.“

Peter runzelte die Stirn. „Und das weißt du woher? Die Nachrichten sind doch schon seit Stunden tot.“

Max zog ein Funkgerät hervor, das er unter seiner Jacke verborgen hatte. „Über alte Militärfrequenzen. Ich hab Kontakt zu einem Bekannten, der bei der Bundeswehr ist. Die haben alles bestätigt. Aber es ist streng geheim. Aber wenn Du mich fragst. Die haben die Kontrolle komplett verloren. Da waren selbst die Ukrainer besser aufgestellt, als der Russe den Donbas angegriffen hatte.“

Peter fühlte, wie sich sein Magen zusammenzog. „Also war das hier… eine Reaktion auf die Raketen?“

„NATO schießt Raketen auf Moskau?“, fragte Peter trocken. „Klasse Idee. Was war der Plan? Den Kreml wie zum Jahreswechsel mit Feuerwerk überraschen? Hat ja offensichtlich super funktioniert.“

Max nickte langsam. „Ja. Die Russen haben sofort zurückgeschlagen. Drohnen, Cyberangriffe, Söldner. Die ganze Palette. Und das Schlimmste ist: Keiner weiß mehr, was wirklich los ist. Niemand will den Krieg aufhalten. Es ist wie Silvester – jeder ballert herum, ohne darüber nachzudenken, was als Nächstes passiert.“

„Das ist Wahnsinn“, murmelte Peter, als er an all die Menschen dachte, die jetzt in ihren Kellern saßen und auf die nächsten Explosionen warteten. „Und jetzt? Was macht die NATO?“

Max zuckte mit den Schultern. „Was sollen sie tun? Sie sind genauso ratlos wie wir. Die Lage ist vollkommen außer Kontrolle geraten. Niemand weiß mehr, wer der Feind ist.“


4 Uhr kam Peter wieder zu seiner Wohnung zurück. Er setzte sich wieder aufs Sofa. Sein Kopf ratterte. Dann stand er auf und sah wieder aus dem Fenster. Die Stadt war noch in absolute Dunkelheit gehüllt, aber weit hinten, erhellte sich der Horizont und kündigte den neuen Tag an. In der Ferne leuchteten die Raketeneinschläge, die wie Feuerwerk über den gesamten Horizont flackerten.

Plötzlich hörte er von der Straße her ein tiefes Brummen. Ein Fahrzeug fuhr durch die Straßen, und über Lautsprecher drang eine Stimme an sein Ohr: „Dies ist eine Nachricht der deutschen Streitkräfte. Mobilmachung der Reservisten. Alle Bürger werden aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben. Verlassen Sie die Stadt nur, wenn es absolut notwendig ist. Das Kriegsrecht wurde verhängt.“

Peter schloss die Augen. Kriegsrecht. Mobilmachung. Es war alles zu spät.

Er dachte an die Politiker, an die Lobbyisten, die all das ins Rollen gebracht hatten. Die Eskalation war nicht über Nacht passiert. Sie hatten sie jahrelang vorbereitet, mit ihren falschen Versprechen, ihrer Gier nach Macht, ihrem Wunsch nach Kontrolle. Die Menschen waren Marionetten in einem Spiel, das sie nicht verstanden. Und jetzt waren die Fäden gekappt.

In Peters Kopf schossen Überlegungen, Pläne aber auch Emotionen wie Wut, Ärger und Verachtung. Sie sagen, das Kriegsrecht sei verhängt. Nett. Als ob das den Raketen was ausmacht, die da draußen einschlagen. Als ob das den Wahnsinn hier drin stoppt.

Peter atmete tief durch. „Es ist noch nicht vorbei“, murmelte er zu sich selbst. „Es ist erst dann vorbei., wenn es vorbei ist.“

Er öffnete die Augen wieder.

Das war der Krieg. Und diesmal gibt es kein Entkommen.

Ein verdammtes Wort, dachte Peter. Dinge gerieten ins Rollen, ohne dass irgendjemand eine Chance hatte, sie aufzuhalten. Jetzt schien es, als hätten sie alles verloren – und nicht nur die Kontrolle. Jahrelang war ich der Meinung gewesen, dass das alles nur Drohkulisse sei. „Mach dir keine Sorgen, Alex, das passiert nicht.“, viel Peter wieder ein, als er an Alex dachte und sich sorgte, wie es Alex geht. Sie hatten das Thema öfters und Alex beruhigte es immer, wenn Peter alles als hysterisches politisches Dummgelabbere entlarvte. Und jetzt? Jetzt sitzen wir in der Scheiße. Danke auch, Welt, für diese grandiose Vorführung.

Hinweis:

Diese Geschichte stammt von einem langjährigen Freund mit dem pseudonym Paco Bay, der über viele Jahre hinweg im Geheimdienst tätig war. Aufgrund der brisanten Natur seiner Erlebnisse und zur Wahrung seiner Privatsphäre, habe ich die Ehre, seine Geschichten zu veröffentlichen. Während die Ereignisse in „Berlin: Guten Tag und gute Nacht!“ fiktiv sind, basieren sie auf mögliche Szenarien, die zum Nachdenken anregen sollen. Die beschriebenen Ereignisse sind spekulativ und sollen die Leser dazu motivieren, sich mit den möglichen Entwicklungen in unserer komplexen Welt auseinanderzusetzen.

Als Polizeibeamter unterliege ich einer besonderen Mäßigungspflicht und distanziere mich von jeglicher realen Verknüpfung zu tatsächlichen Ereignissen. Es geht mir darum, mögliche Entwicklungen kritisch zu beleuchten und die Leser zum Hinterfragen der Realität zu bewegen.


Zusatzinfo zu „Paco Bay“: Der kommende Thriller wird voraussichtlich ab 2025 im Buchhandel erhältlich sein! Eine explosive Geschichte, die uns zeigt, dass die größten Bedrohungen manchmal im kleinsten Dorf beginnen…

:red_circle: Die Greetsiel-Verschwörung :red_circle:

Die idyllische Küstengegend wird plötzlich zum Schauplatz einer beispiellosen Serie biologischer Angriffe. Unter der Leitung von Kriminalhauptkommissarin Sarah Wischinski und dem Analysten Paul Pompernell beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Während sich internationale Aufmerksamkeit auf die Fälle richtet, bleibt ein entscheidender Faktor im Dunkeln: Wer steckt hinter diesen Angriffen, und was sind die wahren Motive? Machtspiele, Rache oder etwas noch Gefährlicheres?

Paco Bay liefert einen packenden Thriller, der mit komplexen Charakteren, moralischen Grauzonen und erschreckender Aktualität besticht. Ab 2025 im Buchhandel.